Die Fährte
Fiaskos werden sollen, doch es gelang ihm, zwei Sonderklauseln unterzubringen. Er durfte die Hütte behalten, die noch immer auf ihn eingetragen war. Und es gelang ihm, den Käufer breitzuschlagen, als Kaufsumme dreißig Millionen einzutragen. Letzteres hatte nur wenig Bedeutung, da er die gesamte Kaufsumme mit den Schulden der Albu AS verrechnen konnte, die diese bei ihm hatte. Doch für die Fassade des Arne Albu hatte das natürlich große Bedeutung. Es gelang ihm, einen Konkurs so aussehen zu lassen wie einen erfolgreichen Firmenverkauf. Und das ist doch was, oder?«
Sie warf lachend den Kopf nach hinten, so dass Harry die kleine Narbe an ihrem Kinn erkennen konnte.
»Was ist mit Anna Bethsen?«, fragte Harry.
»Seiner kleinen Schlampe?« Sie schlug ihre schlanken Beine übereinander, strich sich mit einem Finger die Haare aus dem Gesicht und blickte gleichgültig vor sich hin. »Sie war bloß ein Spielzeug. Sein Fehler war, dass er vor seinen Freunden ein wenig zu laut über seine Zigeunerliebschaft geprahlt hat. Und nicht alle, die Arne als Freunde bezeichnete, hatten das Gefühl, wirklich loyal sein zu müssen, um es mal so auszudrücken. Kurz gesagt – es ist mir zu Ohren gekommen.«
»Und?«
»Ich habe ihm eine neue Chance gegeben. Wegen der Kinder. Ich bin eine nette Frau.« Sie sah Harry unter schweren Augenlidern hinweg an. »Aber er hat diese Chance nicht genutzt.«
»Vielleicht hat er bemerkt, dass sie doch mehr als ein Spielzeug war?«
Sie antwortete nicht, doch ihre schmalen Lippen wurden noch schmaler.
»Hatte er ein Arbeitszimmer oder so etwas?«, fragte Harry.
Vigdis Albu nickte.
Sie ging ihm voraus die Treppe empor. »Manchmal hat er sich dort eingeschlossen und dann die halbe Nacht dort gesessen.« Sie öffnete die Tür zu einem Dachzimmer mit Aussicht über die Nachbardächer.
»Hat er dann gearbeitet?«
»Im Internet gesurft. Er war ganz süchtig danach. Behauptete, er habe sich Autos und so etwas angeguckt, aber das wissen die Götter.«
Harry ging zum Schreibtisch und zog eine Schublade heraus. »Hat er die geleert?«
»Er hat alles mitgenommen, was er hier oben hatte. Das ging alles in eine Plastiktüte.«
»Auch den PC?«
»Das war bloß ein Laptop.«
»An den er manchmal auch sein Handy angeschlossen hat?«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Davon weiß ich nichts.«
»Ich dachte nur.«
»Wollen Sie sonst noch etwas sehen?«
Harry drehte sich um. Vigdis Albu stand an den Türrahmen gelehnt, eine Hand über dem Kopf und die andere in die Hüfte gestemmt. Das Gefühl eines Dejà-vu war überwältigend.
»Ich habe eine letzte Frage, Frau … Vigdis.«
»Oh? Haben Sie es eilig, Herr Hauptkommissar?«
»Der Taxameter läuft. Die Frage ist ganz einfach. Glauben Sie, dass er sie getötet haben könnte?«
Sie sah Harry nachdenklich an, während sie mit dem Absatz ihres Schuhs an die Türschwelle klopfte. Harry wartete.
»Wissen Sie, was das Erste war, was er sagte, als ich ihn damit konfrontierte, dass ich von seiner Hure wusste? ›Du musst mir versprechen, dass du das niemandem sagst, Vigdis.‹ Ich sollte das niemandem sagen! Für Arne war die Vorstellung der anderen, dass wir glücklich sind, wichtiger als die Wirklichkeit. Meine Antwort, Herr Hauptkommissar, lautet, dass ich keine Ahnung habe, zu was er in der Lage ist. Ich kenne diesen Mann nicht.«
Harry fischte eine Visitenkarte aus seiner Innentasche. »Rufen Sie mich an, wenn er Kontakt mit Ihnen aufnimmt oder wenn Sie irgendwie erfahren sollten, wo er sich aufhält, sofort.«
Vigdis warf einen Blick auf seine Visitenkarte. Ein Anflug von Lächeln huschte über ihre blassrosa Lippen. »Nur dann, Herr Hauptkommissar?«
Harry antwortete nicht.
Auf der Außentreppe drehte er sich noch einmal zu ihr um. »Haben Sie es jemals jemandem erzählt?«
»Dass mein Mann untreu war? Was glauben Sie?«
»Nun, ich halte Sie für eine praktisch veranlagte Frau.«
Sie lächelte breit.
»Achtzehn Minuten«, sagte Øystein, »verflucht, ich bin langsam ins Schwitzen gekommen.«
»Hast du meine alte Handynummer angerufen, während ich drinnen war?«
»Ja doch, es klingelte die ganze Zeit.«
»Ich habe nichts gehört. Das ist also nicht mehr da.«
»Sorry, aber hast du schon mal was von Vibration gehört?«
»Wovon?«
Øystein simulierte einen Epilepsieanfall. »Davon. Vibrationsmodus. Silent phone.«
»Meins hat eine Krone gekostet und konnte bloß klingeln. Er hat es mitgenommen, Øystein. Wohin ist der blaue BMW da
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