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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Li und Li sind auf der Wache dabei.«
    »Schon ein paar Details über den Ablauf?«
    »Der Bankräuber gab der Filialleiterin 25 Sekunden, den Geldautomat zu öffnen, während er den Gewehrlauf auf den Kopf einer der Angestellten richtete.«
    »Und die durfte dann für ihn sprechen?«
    »Jau. Und als er in die Bank kam, gab er den gleichen englischen Mist von sich.«
    »This is a robbery! Don't move!«, sagte eine Stimme hinter ihm, gefolgt von einem kurzen, abgehackten Lachen. »Wirklich nett, dass Sie noch kommen konnten, Hole. Uiih, im Bad ausgerutscht?«
    Harry zündete sich eine Zigarette an, während er Ivarsson mit der anderen Hand das Päckchen entgegenstreckte. Ivarsson schüttelte den Kopf. »Schlechte Angewohnheit, Hole.«
    »Da haben Sie Recht.« Harry steckte das Camel-Päckchen in seine Manteltasche. »Man sollte seine Zigaretten nicht feilbieten, sondern davon ausgehen, dass sich ein Gentleman die seinen selbst kauft, das ist von Benjamin Franklin.«
    »Wirklich?«, sagte Ivarsson und übersah Webers Grinsen. »Sie haben viel mitbekommen, Hole. Vielleicht haben Sie auch bemerkt, dass unser Räuber wieder zugeschlagen hat was wir ja exakt so vorhergesagt haben.«
    »Woher wissen Sie, dass er es war?«
    »Sie haben doch gehört, dass dieser Raub eine genaue Kopie des Überfalls auf die Nordea-Bank im Bogstadvei war.«
    »Oh?«, sagte Harry und inhalierte tief. »Wo ist die Leiche?«
    Ivarsson und Harry maßen einander lange mit den Augen. Reptilzähne blitzten auf. Weber mischte sich ein: »Die Filialleiterin war schnell. Ihr gelang es, den Geldautomat in 23 Sekunden zu leeren.«
    »Kein Mordopfer«, sagte Ivarsson. »Enttäuscht?«
    »Nein«, sagte Harry und atmete den Rauch durch die Nase aus. Ein Windhauch fegte den Qualm weg. Doch der Nebel im Kopf wollte nicht schwinden.
     
    Halvorsen blickte von Silvia auf, als sich die Tür öffnete.
    »Kannst du mir ganz schnell einen Hochoktan-Espresso machen, pronto?«, fragte Harry und fiel auf seinen Stuhl.
    »Dir auch einen guten Morgen«, sagte Halvorsen. »Du siehst schrecklich aus.«
    Harry verbarg das Gesicht in seinen Händen. »Ich kann mich an nichts von gestern Abend erinnern. Ich habe keine Ahnung, was ich getrunken habe, aber ich will nie wieder auch nur einen Tropfen davon.«
    Er blickte zwischen seinen Fingern hindurch und sah, dass sein Kollege eine tiefe Sorgenfalte auf seiner Stirn hatte.
    »Beruhig dich, Halvorsen, das war bloß ein unglücklicher Unfall, ich bin jetzt nüchtern wie ein Schreibtisch.«
    »Was ist passiert?«
    Harry lachte hohl. »Mein Mageninhalt lässt vermuten, dass ich bei einer alten Freundin gewesen bin. Ich habe sie ein paar Mal angerufen, um mir das bestätigen zu lassen, aber sie geht nicht ans Telefon.«
    »Eine Freundin?«
    »Ja, eine Freundin.«
    »Womöglich so eine unfähige Polizistin?«, fragte Halvorsen vorsichtig.
    »Konzentrier du dich auf den Kaffee«, brummte Harry. »Bloß eine alte Flamme, ganz unschuldige Sache.«
    »Woher willst du das wissen, du erinnerst dich doch an nichts?«
    Harry fuhr sich mit der Handfläche über sein unrasiertes Kinn und dachte an Aunes Worte, dass Rauschzustände nur die Schwächen begünstigen, die man ohnehin schon hat. Er wusste nicht, ob er das beruhigend fand. Einzelne Details waren in seinem Kopf aufgetaucht. Ein schwarzes Kleid. Anna hatte ein schwarzes Kleid getragen. Und er hatte auf einer Treppe gelegen, bis ihm von einer Frau geholfen worden war. Mit halbem Gesicht. Wie eines von Annas Porträts.
    »Ich habe immer diese Blackouts«, sagte Harry. »Der ist auch nicht schlimmer als die anderen.«
    »Und das Auge?«
    »Bin vermutlich zu Hause gegen den Kühlschrank gerannt oder so etwas.«
    »Ich will dich ja nicht ärgern, Harry, aber das sieht wesentlich heftiger aus als ein Kuss vom Kühlschrank.«
    »Nun«, sagte Harry und nahm die Kaffeetasse mit beiden Händen entgegen. »Sehe ich gestresst aus? Wenn ich mich im besoffenen Zustand gekloppt habe, dann immer nur mit Leuten, die ich auch nüchtern nicht mochte.«
    »Ich hab übrigens einen Bescheid von Møller. Er bat mich auszurichten, dass die Sache in Ordnung zu gehen scheint, was für eine Sache hat er aber nicht gesagt.«
    Harry rollte den Espresso in seinem Mund herum, ehe er schluckte: »Du wirst noch, Halvorsen, du wirst noch.«
     
    Der Überfall wurde noch am gleichen Nachmittag detailliert in der Kommissionssitzung im Präsidium erörtert. Didrik Gudmundson berichtete, es seien drei Minuten vergangen

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