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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Abteilung G2 trabte.
    »Ist er ansprechbar?«, wollte Harry wissen.
    »Ja, sprechen kann er wohl …« Der Pfleger hatte sechshundert Kronen bezahlt, um den schwarzen Pony so strubbelig aussehen zu lassen, und jetzt schob er eine Strähne beiseite und blickte Harry durch die schwarze Hornbrille an, die ihn gerade so weit linkisch aussehen ließ, dass diejenigen, die es verstehen sollten, daran erkannten, dass er nicht linkisch war, sondern hip.
    »Mein Kollege meint, ob er so weit bei sich ist, dass wir mit ihm über seine Frau sprechen können?«, sagte Beate.
    »Probieren Sie es«, sagte der Pfleger und drapierte die Strähne wieder vor die Brillengläser. »Wenn er wieder psychotisch wird, ist er noch nicht so weit.«
    Harry fragte nicht nach, woran man erkennt, ob jemand psychotisch wird. Sie kamen an das Ende des Flurs und der Pfleger schloss eine Tür mit Guckloch auf.
    »Muss er in der geschlossenen Abteilung sein?«, fragte Beate und sah sich in dem hellen Aufenthaltsraum um.
    »Nein«, sagte der Pfleger, ohne eine weitere Erklärung zu geben, und deutete auf einen einsamen, weißen Morgenmantelrücken auf einem Stuhl am Fenster. »Ich bin im Stationszimmer, im Flur links, wenn Sie wieder gehen wollen.«
    Sie gingen zu dem Mann auf dem Stuhl. Er starrte aus dem Fenster, und das Einzige, was sich bewegte, war seine rechte Hand, die einen Stift über einen Zeichenblock führte, ruckhaft und mechanisch wie die Klaue eines Roboters.
     
    »Trond Grette?«, fragte Harry.
    Er erkannte die Person wieder, die sich ihnen zuwandte. Grette hatte sich alle Haare abgeschnitten, sein Gesicht wirkte dünner, und der wilde Ausdruck, der am Abend auf dem Tennisplatz in seinen Augen gelegen hatte, war durch einen ruhigen, leeren Tausendmeterblick ersetzt worden, der durch sie hindurchging. Harry hatte das früher schon einmal gesehen. So sahen sie in den ersten Wochen hinter diesen Mauern aus, wenn sie zum ersten Mal büßten. Und Harry wusste instinktiv, dass es das war, was dieser Mann auf dem Stuhl tat. Er büßte.
    »Wir sind von der Polizei«, sagte Harry.
    Grette richtete seinen Blick auf sie.
    »Es geht um den Bankraub und Ihre Frau.«
    Grette kniff die Augen etwas zusammen, als konzentrierte er sich auf das, was Harry gesagt hatte.
    »Können wir Ihnen ein paar Fragen stellen?«, fragte Beate laut.
    Grette nickte langsam. Beate zog einen Stuhl heran und setzte sich.
    »Können Sie uns etwas über sie erzählen?«
    »Erzählen?« Seine Stimme knarzte wie eine schlecht geölte Tür.
    »Ja«, sagte Beate und lächelte mild. »Wir wollen wissen, was für ein Mensch Stine war. Was sie machte. Was sie gern hatte. Welche Pläne Sie hatten. So etwas.«
    »So etwas?« Grette blickte Beate an. Dann legte er den Stift hin. »Wir wollten Kinder. Das war der Plan. In vitro. Sie hoffte auf Zwillinge. Zwei plus zwei, sagte sie immer. Zwei plus zwei. Wir wollten es gerade angehen. Gerade jetzt.« Tränen standen in seinen Augen.
    »Gerade jetzt?«
    »Heute, glaube ich. Oder morgen. Was für ein Tag ist heute?«
    »Der Siebzehnte«, sagte Harry. »Sie waren schon lange verheiratet, nicht wahr?«
    »Zehn Jahre«, sagte Grette. »Wenn sie keine Lust auf Tennis gehabt hätten, wäre das für mich auch O.K. gewesen. Man kann Kinder nicht zwingen, das Gleiche zu mögen wie ihre Eltern. Oder? Vielleicht hätten sie lieber reiten wollen. Reiten ist schön.«
    »Was für ein Mensch war sie?«
    »Zehn Jahre«, wiederholte Grette und drehte sich wieder zum Fenster. »Wir haben uns 1988 getroffen. Ich hatte gerade im BI angefangen und sie ging in die letzte Klasse des Gymnasiums. Sie war die Schönste, die ich jemals gesehen hatte. Eigentlich ist die Schönste immer eine, die man nicht bekommen und vielleicht vergessen hat. Aber bei Stine war es anders. Und ich habe niemals aufgehört, in ihr die Schönste zu sehen. Wir sind nach einem Monat zusammengezogen und waren drei Jahre lang Tag und Nacht zusammen. Trotzdem konnte ich es nicht glauben, als sie meinen Antrag, Stine Grette zu werden, annahm. Ist das nicht komisch? Wenn man jemanden so liebt, wird es beinahe unbegreiflich, dass einen dieser Mensch auch liebt. Es sollte doch umgekehrt sein, oder?«
    Eine Träne zerplatzte auf der Armlehne.
    »Sie war immer freundlich. Diese Eigenschaft weiß man heute kaum noch zu schätzen. Sie war zuverlässig, treu und immer lieb. Und mutig. Wenn ich schlief, stand sie selbst auf und ging nach unten, wenn sie etwas zu hören geglaubt hatte. Ich hatte ihr

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