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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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willst, dass ich dir deine gepuderte Nase lädiere, erzählst du mir besser ganz schnell, wie du das Photo machen konntest!«
     
    Über den sitzenden Major Pfeyfer gebeugt, begutachtete Doktor Täubrich die Innenseite des rechten Augenlids, das er mit dem Zeigefinger in die Höhe gezogen festhielt.
    »Ihr Zustand gefällt mir ganz und gar nicht«, befand er dann, ließ das Lid los und richtete sich wieder auf.
    »Mir auch nicht. Deshalb bin ich ja hier«, reagierte Pfeyfer gereizt. Er musste mehrfach blinzeln, da sein Auge durch die Untersuchungsprozedur ein wenig trocken geworden war und juckte. »Anfangs habe ich nur schlecht geschlafen. Ich glaubte, das käme von der vielen Arbeit und ginge vorüber. Aber jetzt auch noch diese Albträume … Es kostet mich mittlerweile schon Überwindung, abends die Augen zu schließen.«
    Der Arzt nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und drehte mit den Fingern beiläufig einen zwischen Papieren abgelegten Bleistift herum. »Das kann ich mir vorstellen, Herr Major. Doch was erwarten Sie von mir?«
    »Es wird doch wohl irgendein Medikament geben, das mir wieder zu Schlaf verhilft!«
    Täubrich setzte eine unbehagliche Miene auf. »Opiate vielleicht. Aber davon rate ich mit Nachdruck ab. Diese Substanzen haben allzu tückische Auswirkungen auf Körper und Geist«, befand er warnend. »Außerdem wäre damit Ihr eigentliches Problem nicht aus der Welt geschafft.«
    »Mein Problem ist, dass ich nicht schlafen kann«, hielt Pfeyfer verdrossen entgegen.
    »Oh nein, das ist nur ein Symptom«, widersprach der Doktor. »Ihr Problem ist das, was da in Ihrem Kopf wühlt und nagt und Ihnen die Albträume verursacht. Zugegeben, die Medizin ist noch gar nicht weit fortgeschritten im Bemühen, das Gemüt und seine Macht über die Physis zu ergründen. Aber auch so erkenne ich, dass es Ihre Schuldgefühle sind, die Sie des Nachts heimsuchen.«
    Pfeyfer stieß ein ärgerliches Schnauben aus. »Keine Erkenntnis, die mir zu ungestörter Nachtruhe verhilft.«
    »Wieso hören Sie nicht einfach auf, sich selbst grundlose Vorhaltungen zu machen?« Täubrich schob den Bleistift zur Seite und sah seinen Patienten direkt an. »Ich meine es ernst. Man muss sich keinerlei Spekulationen über die Beschaffenheit des menschlichen Geistes hingeben, um zu begreifen, dass Sie selbst sich damit des Schlafs berauben. Herrgott, Sie haben doch wahrlich alles Machbare getan, um den Mörder Ihres alten Freundes zu finden.«
    Pfeyfer rieb sich das Gesicht. Er fühlte sich müde und leer.
    »Sie haben gewiss recht«, stimmte er zögerlich zu. »Nur wird es nicht leicht sein, mir das auch tatsächlich klarzumachen. Und es wird noch schwerer, wenn mir so wie heute ohne Vorwarnung in Erinnerung gerufen wird – nein, warten Sie. Ich zeige es Ihnen einfach.«
    Er erhob sich, ging hinüber zu dem Kleiderständer, an dem sein Uniformmantel hing, und holte aus der Innentasche eine Photographie hervor, die er Täubrich überreichte.
    Der Arzt stutzte. »Hauptmann Heinze und Weaver? Im Lagerhaus? Wie ist es möglich, dass davon eine Aufnahme existiert?«
    »Dieser Toussaint aus der Markgraf-Friedrich-Straße hatte in jener Nacht am Hafen Versuche mit Magnesiumlicht gemacht. Auf dem Heimweg kam er am Lagerhaus vorbei und bemerkte, dass dort etwas vorgefallen sein musste«, gab Pfeyfer die Aussage des Photographen wieder. Unauffällig stützte er sich an der Fensterbank an; durch den Schlafmangel hatte er bisweilen für wenige Sekunden das Gefühl, seine Beine könnten jeden Moment unter ihm nachgeben. »Also wartete er in sicherer Distanz, bis wir fort waren und bestach dann den zurückgelassenen Schutzmann mit fünf Thalern, um ein Photo machen zu können. Das verkaufte er dann für fünfzig Thaler an dieses Revolverblatt weiter, wo sich ein Schreiberling einen Artikel bar aller Fakten zusammensponn. Und ich kam durch bloßen Zufall dahinter.«
    »Böse Sache«, urteilte Täubrich angewidert. »Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie nicht erbaut sind.«
    »Nicht erbaut? Oh, Sie haben ein großartiges Talent zur Untertreibung! Ich hätte diesen gewissenlosen Schuft Toussaint am liebsten grün und blau geschlagen, weil er aus Friedrich Heinzes Tod auf so – so unanständige Weise Profit gezogen hat! Ich werde ihn auf jeden Fall –«
    »Einen Moment!«, unterbrach Täubrich. »In welcher Hand hielt Weaver seinen Colt? Erinnern Sie sich noch?«
    Pfeyfer kam die Frage verwunderlich vor. »Ich weiß nicht. In der rechten, nehme ich

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