Die Fahrt des Leviathan
belustigt darüber, wie ungeschickt der Major sein Unbehagen über die Order von allerhöchster Stelle zu verstecken versuchte. Ihr Lachen hallte durch die Küche, in der sich die Direktorin und der Major an dem großen Tisch in der Mitte des Raums gegenübersaßen, umgeben von Tellern und Gläsern, die auf den Abwasch am nächsten Morgen warteten.
»Sie mögen das vielleicht amüsant finden. Ich hingegen kann dieser Konstellation rein gar nichts Lustiges abgewinnen«, hielt Pfeyfer ihr unfroh entgegen. »Doch das ist nicht von Belang. Ich werde den Befehl Seiner Hoheit pflichtgemäß ausführen. Nur …«
»Nur was? Sagen Sie es ruhig«, hielt Rebekka den plötzlich zögernden Major zum Weitersprechen an.
»Fräulein Heinrich, ich möchte Sie bitten – ich meine, es wäre höchst hilfreich, wenn wir vor jedem Ihrer öffentlichen Auftritte bereden könnten, was genau Sie zu sagen beabsichtigen.«
Rebekka quittierte das Anliegen des Majors mit einem misstrauischen Blick. »Sie wollen doch wohl nicht versuchen, mir unter dem Vorwand meiner Sicherheit vorab den Mund zu verbieten?«, argwöhnte sie.
»Nein, nein, gewiss nicht«, beteuerte er geschwind. »Ich möchte nur vorbereitet sein und die Reaktionen des Publikums abschätzen können.«
»Habe ich Ihr Ehrenwort als Offizier, dass Sie auf meine Reden keinen Einfluss zu nehmen versuchen?«, bohrte sie skeptisch weiter.
»Ja, in Gottes Namen, das haben Sie. Ich werde nie auf Änderungen bestehen, sondern mir höchstens die Freiheit nehmen, Bedenken zu äußern, wenn mir Ihre Worte riskant scheinen.«
»Und ich werde mir die Freiheit nehmen, Ihre Bedenken zur Kenntnis zu nehmen und zu ignorieren«, konterte die Direktorin entwaffnend charmant. Doch sie versicherte Pfeyfer auch, dass sie es ihm durchaus anrechnete, mit welcher Hingabe er sich einer Aufgabe widmete, die ihm doch so widerstreben musste.
»Widerstrebend oder nicht, es ist ein Befehl. Und den habe ich bei meiner Ehre als preußischer Offizier so gut auszuführen, wie es mir nur möglich ist. Die Erfüllung der Pflicht ist oberstes Gebot«, ließ er sie wissen. Der feierliche Tonfall, in den er unbewusst verfiel, ließ durchschimmern, dass er damit einen Teil des tief in seinem Innersten verwurzelten Glaubensbekenntnisses wiedergab.
»Amen«, beendete Rebekka das weihevolle Credo des Majors mit respektloser Leichtherzigkeit. Sie stand auf und drückte ihm Frack und Bürste in die Hände. »Hier, reiben Sie netterweise weiter. Aber nicht zu fest. Ich bin gleich zurück.«
Perplex blickte Pfeyfer ihr nach, als sie die Küche verließ. Unschlüssig sah er auf die schaumbedeckte Bürste in seiner Hand und war sich nicht recht im Klaren, was er tun sollte. Dann seufzte er resigniert und fing an, einen großen Suppenfleck zu bearbeiten.
Gerade dachte er darüber nach, wie gut es war, dass ihn keiner seiner Offizierskameraden jetzt sehen konnte, da ließ ihn das laute Klirren von zerschellendem Glas aufschrecken. Alarmiert sprang er auf und rannte aus der Küche, um herauszufinden, was passiert war.
Als Pfeyfer das Arbeitszimmer erreichte, stand die Glastür zum Garten offen. Die Scheibe neben dem Riegel war eingeschlagen worden, Scherben und Splitter lagen verstreut auf dem Parkett, kaum auszumachen im trüben Schein der auf Sparflamme reduzierten Gaslampe.
Vorsichtig verharrte der Major am Eingang des Raums und vergewisserte sich zunächst, dass sich dort kein Eindringling verborgen hielt, der ihm vielleicht aus dem Hinterhalt einen Schlag über den Kopf versetzten würde. Erst dann trat er ein, drehte die Gasflamme des Wandleuchters höher und spähte hinaus in den dunklen Garten; doch auch dort regte sich nichts.
Just als er begann, sich genauer im Zimmer umzusehen, kam Amalie aufgeregt hereingeeilt. Sie war beruhigt, Pfeyfer vorzufinden, bemerkte aber auch sogleich mit Schrecken die Spuren des Einbruchs. Gleich darauf erschien auch Rebekka Heinrich und gewärtigte schockiert die gewaltsam geöffnete Tür.
»Bewahren Sie Ruhe, Demoiselles«, versuchte der Major beruhigend einzuwirken. »Den Übeltäter verließ ganz eindeutig der Mut und er hat die Flucht ergriffen. Es besteht keine Gefahr.«
»Meinen Sie, er wird zurückkehren?«, fragte Amalie beklommen.
»Das halte ich für äußerst unwahrscheinlich«, urteilte Pfeyfer. »Einbrecher sind aller Erfahrung zufolge ihrem ganzen Wesen nach feige und scheuen sich, einen bereits in Aufruhr versetzten Ort abermals aufzusuchen. Aber Sie sollten
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