Die Fahrt des Leviathan
einem verlogenen Lächeln nahm er den Vorschlag an.
Die beiden Männer gingen vom Bahnhof hinüber zu dem im Entstehen begriffenen Militärlager. Als sie den Eingang zu dem Gelände passierten, präsentierte ein Wachposten das Gewehr. Der Soldat, dessen Gesicht weitgehend hinter einem struppigen Bart verschwand, war in eine vielfach geflickte Hose und eine zerlumpte blaugraue Uniformjacke gekleidet. An den Füßen trug er zwei verschiedene, völlig verschlissene Schuhe, die nur noch durch stramm gewickelte Schnüre zusammengehalten wurden.
Vielleicht, so überlegte Beaulieu , befand sich General Lee doch nicht im Irrtum, wenn er auf die Beschaffung von Bekleidung so großen Wert legte. Es war nicht recht, dass die tapferen Kämpfer für die Sache des Südens wie Vagabunden aussehen mussten. Doch damit würde ja bald Schluss sein. Und jetzt schon konnte Beaulieu sich ausmalen, wie die Soldaten der Konföderierten Staaten von Amerika, der reichsten und mächtigsten Nation zu Füßen Gottes, nach ihrem Triumph ausstaffiert sein würden. So glänzend, so grandios, wie es ihren Heldentaten entsprach. Sie würden in ihren prächtigen Uniformen jedes europäische Garderegiment in den Schatten stellen. Der Tag war nicht mehr fern.
Sibley und Beaulieu schritten über das von Regen aufgeweichte Gelände. Der General erging sich detailliert über den Zeitplan für die Arbeiten, immer wieder unterbrochen durch zornerfüllt vorgebrachte Beteuerungen, dass er es kaum erwarten könne, die Preußen von der geheiligten Erde des Südens zu vertreiben.
In den Boden getriebene Pflöcke markierten die Orte, an denen bald Baracken stehen sollten, während gleich daneben bereits Sklaven damit beschäftigt waren, aus grob zurechtgesägten Baumstämmen die Rahmenkonstruktionen der länglichen Holzhütten zu errichten. Andere schichteten Bretter für die Wände zu Stapeln auf, durch gelegentliche Peitschenhiebe angetrieben von erfahrenen Aufsehern, die man gleich zusammen mit den Arbeitskräften von den Plantagen der weiteren Umgebung ausgeliehen hatte. Zufrieden nahm Beaulieu zur Kenntnis, dass bis zum Eintreffen der ersten Freiwilligen genügend Unterkünfte fertiggestellt sein würden. Keiner der Männer musste unter freiem Himmel schlafen.
Langsam schwand das Tageslicht. Beaulieu , der mit dem Abendzug nach Friedrichsburg zurückzukehren trachtete, sprach General Sibley seine Anerkennung für das bereits Geleistete aus und wollte nach dem Austausch einiger Höflichkeiten zum Abschied kehrtmachen, um sich zum Bahnhof zu begeben. In diesem Moment aber marschierte eine Gruppe Sklaven vorüber. Sie brachten brennende Fackeln, damit die Arbeiten trotz der hereinbrechenden Dunkelheit bis tief in die Nacht fortgeführt werden konnten.
Beaulieu erblickte die fackeltragenden Sklaven. Bilder schossen durch seinen Kopf. Bilder von einem in Flammen stehenden Haus, aus dem Schreie drangen, während schwarze Gestalten ekstatisch um das lodernde Gebäude tanzten, teuflisch lachten, grölende Gesänge anstimmten, immer wilder, je verzweifelter die Rufe aus dem Feuer gellten.
»Fahrt zur Hölle, Niggerbestien!«, brüllte Beaulieu . Er zog die lange Degenklinge heraus, die im Inneren seines Gehstocks verborgen war, und stürzte sich auf die Sklaven. Noch ehe die Schwarzen reagieren konnten, durchbohrte der geschliffene Stahl bereits einem von ihnen den Hals. Einen Blutschwall speiend brach er zusammen. In panischem Entsetzen stoben die Sklaven auseinander.
Wie von Sinnen setzte Beaulieu ihnen nach und holte zu einem weiteren Hieb aus. Er konnte einem der Flüchtenden noch eine lange Wunde in den Rücken schlagen, dann wurde er von Sibley und einem herbeigeeilten Ingenieuroffizier festgehalten.
»Bei Gott, Sir! Was ist in Sie gefahren?«, fragte der General fassungslos.
»Das geht Sie, mit Verlaub, nichts an, Sir«, keuchte Beaulieu hasserfüllt, die Augen weit aufgerissen und starr.
Da er sich schnell wieder beruhigte und auch kein Sklave mehr in der Nähe war, der Ziel einer erneuten Attacke hätte werden können, entließen die beiden Männer ihn zögernd wieder aus ihrem Griff. Beaulieu s schwer gehender Atem trug noch immer den Nachhall des Ausbruchs blinden Wütens in sich, doch hatte er sich offenbar wieder gefangen. Mit dem Taschentuch wischte er das Blut von der Klinge und steckte sie daraufhin zurück in den Stock.
»Richten Sie dem Eigentümer aus, dass ich für den Schaden aufkomme«, verlangte er düster. Dann zog er seine
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