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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Los, antworten Sie!«
    Thompson blickte ihn konfus aus matter werdenden Augen an. »Ich … verstehe nicht«, röchelte er mühsam.
    »Heinze! Hauptmann Friedrich Heinze! Ich weiß, Sie kennen seinen Mörder! Sie haben es selbst zugegeben! Wer hat Heinze getötet? Wer?«
    Ein absonderlicher Ausdruck trat in Thompsons Gesicht, als würde er eine groteske Offenbarung erleben. »Unglaublich«, presste er mit letzter Kraft hervor und würgte einen bitteren Lacher aus der Kehle. Dann war er tot.
     
    »Das war alles, was er sagte?«, fragte Rebekka Heinrich erschüttert.
    Pfeyfer nickte trübsinnig und trank den Cognac, den die Direktorin ihm eingeschenkt hatte, in einem Zug aus.
    »Das Schicksal führt mich zu dem vielleicht einzigen Mann, der mir sagen kann, wer Fritz umgebracht hat. Und was mache ich?«, schnaubte er voller gegen sich selbst gerichteter Wut. »Treibe ihn in den Tod! Ich verdiene Schläge!«
    Seine Hand zuckte; er war kurz davor, das Glas in einem Aufkochen von Rage an die Wand zu schleudern. Doch er besann sich und stellte es wieder auf den Tisch, zwischen die Notenblätter. Pfeyfer war unerwartet in der Schule eingetroffen, als Amalie und Rebekka gerade versuchten, sich durch Gitarrenetüden ein wenig Ablenkung von ihren erstickenden Sorgen zu verschaffen.
    »Nein. Sie haben nichts Verkehrtes getan, Wilhelm«, widersprach Amalie von Rheine. »Hätte Thompson auf Sie gehört, wäre er noch am Leben.«
    Sie trat ans Fenster und blickte in sich gekehrt hinaus, die Arme vor der Brust verschränkt, als würde sie frieren. Einige einsame Tropfen zerplatzten auf dem Fenstersims, doch ein echter Regen war von den rastlos über den eisgrauen Himmel jagenden Wolken nicht zu erwarten.
    »Aber bei mir ist es genau umgekehrt. Georg wollte meine Erwartungen erfüllen«, meinte sie mit flacher, kaum hörbarer Stimme, an niemanden gerichtet.
    Sie wandte sich wieder Rebekka und dem Major zu, die ebenso niedergedrückt wie sie selbst aussahen.
    »Karolina frisst uns auf«, murmelte sie. »Langsam. Ganz langsam.«

6. Februar
    Weaver rammte die nicht einmal zur Hälfte gerauchte Zigarre so unbeherrscht in den Aschenbecher, dass sie in seinen Fingern zerfiel. Seitdem er am Morgen die Nachricht von Cedric Socrates Thompsons Tod erhalten hatte, schäumte er vor Wut. »Wie ein Tier hat der gottverdammte Nigger ihn in den Tod gehetzt. Wie ein Tier!«, röhrte er bebend vor Zorn und hämmerte die Faust mit solcher Gewalt auf den Schreibtisch, dass selbst das schwere silberne Schreibzeug klapperte.
    Charles Beaulieu stand am Fenster von Weavers Büro, blickte ungerührt hinaus auf die Straße und wartete, bis der Verleger von seinen Tiraden erschöpft Atem holen musste.
    Als es soweit war, drehte der Südstaatler sich zu ihm und meinte gelassen: »Gewiss, Sir, ist Thompsons unwürdiges Dahinscheiden bedauerlich. Doch betrachten wir die Sache vernünftig, so ist er tot für uns weitaus wertvoller, als er es lebend jemals hätte sein können.«
    Weaver wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von seinem purpurrot angelaufenen massigen Kopf. »Was wollen Sie damit sagen?«, keuchte er irritiert.
    »Malen Sie sich einmal aus, welche Wirkung diese Meldung auf unsere Freiwilligen haben wird. Einer der Ihren wurde von einem Nigger in preußischer Uniform ermordet«, führte Beaulieu aus, während er sich in einem der Ledersessel vor dem Schreibtisch niederließ. »Rachedurst ist schon immer der beste Ansporn für Kämpfer gewesen. Nicht zu vergessen, dass uns Thompsons Tod auch unter der amerikanischen Bevölkerung South Carolinas Sympathien eintragen wird, wenn wir diese Karte nur gekonnt auszuspielen verstehen. Der Vorfall ist ein veritables Gottesgeschenk.«
    »Ein schönes Gottesgeschenk, das einen alten Freund von mir das Leben kostete«, knurrte Weaver.
    »Er starb als Märtyrer, Sir. Wir werden dafür Sorge tragen, dass sein Opfer nicht in Vergessenheit gerät. Doch da gibt es noch etwas ganz anderes, was mich beschäftigt …«
    Sinnierend drehte der Südstaatler an einer Spitze seines wachsversteiften Bartes und ließ sich einige Sekunden Zeit, bis er den angefangenen Satz zu Ende führte: »… nämlich der Hintergrund der Angelegenheit. Glauben Sie denn, dass der Nigger Thompson tatsächlich wegen Friedrich Heinze befragen wollte, wie es das amtliche Bulletin behauptet?«
    Weaver holte eine frische Zigarre aus dem Teakkästchen zu seiner Linken, doch statt die eigens für diesen Zweck bereitliegende Schere zu

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