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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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wollen?«
    Er zog ein weiteres Papier hervor, das er gleichfalls Pfeyfer übergab. Der Major fragte sich, welche lächerlichen Tricks Krüger wohl aufzufahren versuchte, und entfaltete das Schreiben.
    Fast augenblicklich verwandelte sich seine Abschätzigkeit in sprachloses Erstaunen. Niemand anderer als Generalleutnant Albrecht von Roon, als Kriegsminister nach dem König sein oberster Vorgesetzter, befahl ihm ausdrücklich, sämtlichen Anweisungen des Polizeidirektors ohne Einschränkung nachzukommen. Unter den unmissverständlichen Zeilen prangten Roons Unterschrift sowie das Dienstsiegel mit dem Preußenadler. Gleich dreimal musste Pfeyfer diesen Befehl lesen, bevor er sicher war, keiner Halluzination erlegen zu sein.
    Er hatte seine Sprache immer noch nicht wiedergefunden, als der Kellner mit den Getränken und der Suppe kam. Erst als sie wieder ungestört waren, konnte Pfeyfer endlich seine Fassungslosigkeit überwinden und blickte Krüger direkt ins Gesicht. »Gut. Die Befehle sind eindeutig. Was also wollen Sie hier?«
    Der Geheimpolizist trank ohne Hast einen Schluck Wasser und antwortete dann: »Der Herr Ministerpräsident ist um die Zustände in dieser Provinz besorgt. Die Erfordernisse der Geheimhaltung verbieten mir natürlich, das Wesen meiner Mission mit Ihnen zu erörtern. Nur so viel: Ich wünsche, dass Sie mich fortan über jegliche Ereignisse unterrichten, die Sicherheit und Ordnung in Karolina unmittelbar betreffen. Ergänzende Anweisungen folgen nach Bedarf.«
    Er legte einen Zettel auf den Tisch. »Meine Adresse in Schönhöhe. Lassen Sie mir alle Mitteilungen von verlässlichen Meldern überbringen. Wenn es die Umstände gestatten, versiegelt und nach dem Codebuch chiffriert.«
    »Aber natürlich. Haben Sie sonst noch Wünsche?«, quittierte Pfeyfer die Instruktionen des Geheimpolizisten verstimmt.
    »Sie werden die Freundlichkeit haben, mir kurzgefasst zu erläutern, wie es gegenwärtig um die Stabilität Karolinas bestellt ist«, verlangte Krüger, dem die zynische Spitze in Pfeyfers Tonfall entweder entgangen oder gleichgültig war.
    Der Major nahm sich trotz seines rapide anwachsenden Unmuts zusammen und gab seinem Gegenüber einen Lagebericht, der nichts Wesentliches ausließ. Er erwähnte die durch den Krieg hervorgerufene gefährliche wirtschaftliche Krise ebenso wie die zunehmenden Spannungen zwischen den vorwiegend weißen Liberalen und den mehrheitlich konservativen Schwarzen. Auch die Versuche einiger amerikanischer Südstaatler und ihrer Freunde in der Provinz, zusätzlichen Unfrieden zu säen, riss er kurz an.
    Krüger schien seinen Worten nicht übermäßig aufmerksam zu folgen. Nachdem Pfeyfer zu Ende gesprochen hatte, ließ der Geheimpolizist schweigend eine halbe Minute verstreichen und meinte dann: »Ich verstehe … Sagen Sie, auf welchem Wege setzt man sich mit der Regierung der Insurgenten in Richmond in Verbindung? Auch wenn Preußen die Konföderierten Staaten nicht anerkennt, gibt es doch sicher gelegentlich praktische Fragen, die unabhängig von diplomatischen Erwägungen geklärt werden müssen. Für solche Zwecke existiert doch zweifellos eine Art informelle Vertretung der Konföderation in Karolina.«
    »Ja, das trifft zu«, bestätigte Pfeyfer. »Der Geschäftsführer der Richmond-Handelsgesellschaft ist sozusagen als inoffizieller Konsul der Südstaaten tätig. Die Firma ist nichts als eine Dependance des konföderierten Außenministeriums. Seit drei Tagen ist der Posten wieder besetzt, nachdem der bisherige Geschäftsführer vor drei Wochen verstarb.«
    »Bemerkenswert, wie Sie auf dem Laufenden sind, obwohl Sie doch erst gestern aus New York zurückkehrten. Sicherlich haben Sie auch für den König schon einen Bericht über den Unfall der
Great Eastern
verfasst, nicht wahr?«
    Pfeyfer starrte Krüger mit weit aufgerissenen Augen an. »Zum Teufel, woher wissen Sie –«
    »Es war keine wirkliche Herausforderung, das herauszufinden«, unterbrach ihn der Polizist mitten im Satz. »Als ich mich das erste Mal im Korpskommando nach Ihnen erkundigte, sagte mir Ihr Adjutant ganz offen, dass Sie ein Befehl des Königs nach Washington gerufen hatte. Und von der Besatzung der
Libelle
erfuhr ich, dass Sie anschließend in New York die
Great Eastern
aufgesucht haben. Nun, da der König an Bord eben jenes Schiffes nach Amerika gekommen war und die Zeitungen gestern von der Kollision der
Great Eastern
mit einem Riff berichteten, gehörte nicht viel Phantasie dazu, hier einen

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