Die Fahrt des Leviathan
Zusammenhang zu erkennen.«
Erbost schlug Pfeyfer mit der flachen Hand auf den Tisch, so heftig, dass die gläsernen Gewürzstreuer in ihren Silberhalterungen klirrten. »Was fällt Ihnen ein, mich auszuspionieren!«, fuhr er Krüger an.
Sein Gegenüber zeigte keine Regung, sondern erwiderte kühl: »Hätte ich Sie ernstlich ausspioniert, Herr Major, dann wüsste ich jetzt Dinge über Sie, die bislang nicht einmal Ihnen selber bekannt sind.« Dann aber war ihm anzumerken, dass er sich unvermittelt der Gefahr bewusst wurde, Pfeyfer über Gebühr zu erzürnen und so vielleicht unnötige Komplikationen heraufzubeschwören. Um die Wogen zu glätten, lenkte er das Gespräch schnell in eine unverfängliche Richtung, indem er in beschwichtigendem Plauderton bemerkte: »Das muss doch ein fabelhaftes Schiff sein, nicht wahr?«
»Ein Albtraum von Schiff«, knurrte Pfeyfer, der den angebotenen Olivenzweig widerstrebend und nur aus reiner Höflichkeit akzeptierte. »Es fährt nur Verluste ein und nun wird seine Reparatur vermutlich ebenfalls eine Unsumme kosten. Man sagte mir, die Eigner würden es wohl für jeden noch so niedrigen Preis verkaufen, wenn es nur einen Käufer gäbe. Und jetzt …«
Er wollte eine entschlossene, unmissverständliche Aufforderung an Krüger aussprechen, auf der Stelle das Restaurant zu verlassen. Just in diesem Moment jedoch trat ein junger Infanterieoffizier mit den Epauletten eines Premierleutnants an den Tisch, schlug die Hacken zusammen und nahm Haltung an. »Bitte Herrn Major gehorsamst um Erlaubnis zum Sprechen!«, meldete er.
Pfeyfer sah ihn halb entnervt, halb mitleidig an. »Sie schon wieder, Levi?«
»Ich bitte Herrn Major um Vergebung. Aber ist ist wegen meiner Beförderung.«
»So begreifen Sie doch, dass es nicht möglich ist«, hielt Pfeyfer ihm entgegen. »Ich kann Sie nicht für eine Beförderung zum Hauptmann vorschlagen. Ihre Leistungen und Befähigungen ziehe ich nicht in Zweifel, aber es geht einfach nicht, weil … weil …«
»Weil ich Jude bin, wollen Herr Major sagen«, ergänzte Levi bitter.
»Eben deshalb«, bescheinigte Pfeyfer, erleichtert darüber, dass der Leutnant ihm die Begründung abgenommen hatte. »Es ist kein Vorbehalt gegen Sie persönlich. Nur würde ich mich mit einem solchen Vorschlag selbst unmöglich machen. Und ich will offen sein – es grenzt an ein Wunder, dass Sie es überhaupt zu Ihrem gegenwärtigen Rang bringen konnten. Wenn ich Ihnen einen gut gemeinten Ratschlag geben darf: Bescheiden Sie sich mit dem Erreichten. Wenn Sie nicht anstreben, was Sie doch nicht erreichen können, bleiben Ihnen schmerzhafte Enttäuschungen erspart.«
Der junge Offizier starrte Pfeyfer in ungläubigem Entsetzen an. »Herr Major, ich … es besteht also keine Hoffnung auf Beförderung für mich, bis zum Ende meiner Laufbahn? Ganz gleich, wie sehr ich mich bemühe oder was ich leiste?«
»Nehmen Sie es hin, Leutnant«, riet Pfeyfer. »Weder Sie noch sonst ein Mensch kann an gewissen Tatsachen etwas ändern. Sie dürfen gehen.«
Erbleicht machte der Premierleutnant kehrt und trat weg.
»Traurig«, murmelte Pfeyfer halblaut, ohne ihm nachzusehen.
Krüger trank sein restliches Wasser aus, erhob sich und deutete mit einem sparsamen Neigen des Kopfes eine Verbeugung an. »Auch für mich wird es nun Zeit. Es war mir ein Vergnügen, Herr Major. Vergessen Sie bitte nicht, mich über alles in Kenntnis zu setzen. Habe die Ehre.«
Er setzte den Zylinder auf und ging. Pfeyfer blickte ihm kurz hinterher und rümpfte abschätzig die Nase.
Was für ein widerwärtiger Zeitgenosse,
dachte er.
Gebe Gott, dass ich mit dem so wenig wie möglich zu tun haben werde.
Dann aß er endlich den ersten Löffel seiner Tomatensuppe, die bereits unerfreulich abgekühlt war.
Der Geheimpolizist trat aus dem Restaurant auf die Straße hinaus. Ein Ausdruck souveräner Zufriedenheit lag auf seinem Gesicht. Er wusste, dass er nahezu jede Rolle überzeugend verkörpern konnte. Doch in die Figur des penetranten Polizeidirektors Krüger war er mit besonderem Entzücken geschlüpft.
Aber er hatte keine Zeit, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen.
In seinem Kopf entstand bereits Stück um Stück ein Plan, den es auszuarbeiten und in die Tat umzusetzen galt. Und der erste Schritt dazu war, die Richmond-Handelsgesellschaft näher kennenzulernen.
Zielstrebig ging er die Hohenzollern-Allee hinab. Es gab wichtige Aufgaben zu erledigen.
25. Oktober
Im Shenandoah-Tal, Virginia
General Robert
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