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Die Fahrt des Leviathan

Die Fahrt des Leviathan

Titel: Die Fahrt des Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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schlug die schweren Augenlider wieder auf und fuhr sich mit den Fingern nachdenklich über den üppigen eisgrauen Backenbart. Viel hatte er schon durchgestanden. Er war dabei gewesen, als seine vom Unglück zermürbte Mutter entkräftet gestorben war. Er hatte bei Bar-sur-Aube gegen die Franzosen im Feuer gestanden. Er hatte sich aus Pflichtgefühl gegenüber dem Staat und dem Haus Hohenzollern von der einzigen Frau getrennt, die er jemals geliebt hatte, und stattdessen eine viel zu intelligente, eigensinnige Prinzessin geheiratet. Und er hatte vor dem rebellierenden eigenen Volk inkognito außer Landes fliehen müssen. Das alles waren für ihn harte, teils böse Erfahrungen gewesen. Doch er hätte sie alle freiwillig noch einmal durchlebt, wäre es ihm dafür erspart geblieben, sich den politischen Fallstricken dieser Reise aussetzen zu müssen.
    Eine Wahl blieb ihm allerdings nicht. In Berlin verweigerte ihm ein mehrheitlich liberaler Landtag Gefolgschaft und Budget für die unverzichtbare Reform seiner Armee, und in Karolina stand die Loyalität einer ganzen Provinz auf dem Spiel. Wenn er schon gegenüber dem Parlament nichts auszurichten vermochte, wollte er wenigstens hier in der fernen Überseeprovinz tätig werden.
    Der Kronprinz ging durch das Zimmer und lehnte den Arm auf den Marmorsims des Kamins. »Wieso musste ich dich eigentlich auf dieser Reise begleiten? Wäre es nicht besser gewesen, du hättest mir für die Zeit deiner Abwesenheit die Regierungsgeschäfte übertragen?«, wollte er wissen.
    »Das erledigt deine Mutter schon besser, als wir beide es je könnten«, entgegnete der König schroffer, als er eigentlich wollte. Er dachte nicht gerne daran, dass seine Ehefrau ihm geistig überlegen war und es ihn auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit spüren ließ. »Du musstest mitkommen. Ich habe dir schon mehrmals gesagt, dass es wichtige Aufgaben für dich gibt.«
    »Welche Aufgaben könnten das schon sein? Noch mehr Besichtigungstouren wie in New York oder Washington vermutlich!«
    »Nein. Du wirst hierbleiben.«
    Ungläubig starrte Kronprinz Friedrich seinen Vater an.
    Für einige Sekunden brachte er keinen Laut heraus, und als er seine Sprache wiederfand, konnte er zunächst nur wiederholen: »Ich soll hierbleiben?«
    »Ich habe es entschieden, als Monarch und als Oberhaupt des Hauses«, sagte der König mit Nachdruck. »Morgen auf dem Ball gebe ich bekannt, dass du nach meiner Abreise als außerordentlicher Statthalter in Friedrichsburg residieren wirst. Und zwar, bis ich dich von diesem Amt entbinde.«
    Der Prinz ließ sich in einen Sessel sacken. »Und welchem Zweck soll meine Gegenwart hier dienen?«, fragte er tonlos.
    Nun war es der König, der sich erhob und durch den Raum schritt, hinüber zu dem Tisch, auf dem sich ein Teakholzbehälter mit Zigarren befand.
    Sorgfältig wählte er eine der Zigarren aus und erklärte nebenher: »Keine andere Provinz ist so gefährdet oder so tief gespalten. Viele der hiesigen Liberalen liebäugeln schon lange mit dem amerikanischen Republikanismus, der ja gewissermaßen lockend vor der Haustür präsent ist. Nach übereinstimmenden Berichten vertiefen sich die Gräben zwischen ihnen und den königstreuen Konservativen in bedrohlichem Maße. Überdies steigt die Unzufriedenheit, da die Auswirkungen dieses merkwürdigen Krieges zwischen den Amerikanern hier die Armut bedrohlich anwachsen lassen.«
    Er betrachtete prüfend eine Zigarre, legte sie wieder zurück und entschied sich für eine andere. »Es darf hier keinesfalls zu Unruhen kommen, und schon gar nicht zu einem Abfall der Provinz. Dergleichen würde Preußen bis auf die Knochen blamieren, insbesondere gegenüber – Österreich.«
    Der König sprach den Namen des Staates, dem er die unangefochtene Führungsrolle im Deutschen Bund missgönnte, mit einem Anflug von Abscheu aus.
    »Und deswegen soll ich hier beschwichtigend wirken«, spekulierte der Kronprinz. »Du erwartest, dass ich die erhitzten Gemüter beruhige. Ist es nicht so?«
    Mit einem Schnitt entfernte der König die Spitze der Zigarre und entzündete sie an der Flamme einer Gaslampe neben dem Kamin. »Es ist so«, bestätigte er und nahm einen ersten Zug. »Die Konservativen werden auf deine Worte hören, weil du das Königshaus repräsentierst. Und die Liberalen, weil … nun, deine politischen Neigungen sind ja allgemein bekannt. Du kannst vermitteln und lenken. Niemand ist dafür besser geeignet als du.«
    »Sicherlich eine Idee von

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