Die Fahrt nach Feuerland
machen Sie denn? So benimmt sich doch keiner!«
»Du wirst dich wundern, Junge!« sagte Losskow rauh. »Paß mal auf, was ich jetzt mache! Bei Kap Horn gibt es keine Gesetze. Da mußt du verrückter sein können als das Meer!« Er stapfte an die Seite von Trosky, der sich am Kajütendeck festhielt, nachdem er das Segel gerefft hatte. Er hakte gerade das letzte Tau ein. »Können wir?« brüllte er ihm zu.
Trosky sah ihn fragend an. »Was können wir?« brüllte er zurück.
»Den Rollermann machen!«
»Von mir aus!« Trosky kontrollierte seinen Leibgurt, die Haken und die Schwimmweste. »Und wenn wir unten bleiben?«
»Sofort raus und nach oben!« Losskow packte mit beiden Händen den Ruderbalken. »Fertig?«
»Fertig, Peer!«
Losskow riß das Ruder herum. Die Schale, bisher mit dem Kiel die anrollenden Wellen zerschneidend, drehte sich quer zum Wind. So erbärmlich klein auch die Seite war, mit ungeheurer Gewalt schlug das Meer zu! Herr van Fleterword drückte entsetzt das Megaphon gegen die Brust und riß den Mund auf. Randler, auf der Flybridge des Motorbootes, von Übelkeit zerrissen und nur von dem Wunsch beseelt, möglichst schnell zu sterben, stöhnte qualvoll auf und hob die Kamera ans Auge. Der Kameramotor klickte – vier Bilder pro Sekunde. Was auf dem brüllenden Meer geschah, wurde in allen Phasen festgehalten.
Die weiße Nußschale wurde hochgeschleudert, die Wogen drückten sie um, schräg hing sie an einer riesigen Wellenwand, man sah, daß Losskow und Trosky nur noch von ihren Haken gehalten wurden. Wie gliederlose Puppen schwenkten sie an den Nylontauen hin und her, aber das winzige Boot kenterte nicht, es schlug nicht um, der Kiel drehte sich nicht nach oben. Wie durch Zauberhand richtete es sich auf, tanzte auf den Kämmen, rutschte in die Wellentäler, drehte sich steuerlos, legte sich auf die Seite, kam wieder hoch und wurde wie ein Ball herumgeschleudert. Beim sechsten Seitwärtsgehen knickte der Mast ab, als sei er ein dünnes Hölzchen, eine Welle fegte ihn über das Brückendeck zur Plicht, das Segel riß aus der Vertäuung, blähte sich auf, zerfetzte und fiel mit dem Mast über Jan Trosky.
Der zog den Kopf tief zwischen die Schulter, aber der Schlag traf ihn voll. Scheiße, dachte er noch. Damit muß man rechnen. Jetzt hat mir der Mast den Schädel eingeschlagen. Dann wurde er ohnmächtig und fiel, nur von den Haken des Leibgurts am Seil gehalten, nach vorn. Das rettete ihn. Das Tauwerk des Segels peitschte durch die Luft, durch den Winddruck scharf wie ein Messer geworden, zischte über ihn weg und riß erst dann voll aus dem Mast.
Losskow hatte keine Möglichkeit mehr, die Schale unter Kontrolle zu bringen. Er griff nach Trosky, hielt seinen Kopf mit beiden Händen hoch und sah die Platzwunde. Wie alle Kopfverletzungen blutete sie sehr stark, das Blut überschwemmte den ganzen Kopf, es sah aus, als habe Trosky ein Riesenloch im Schädel, aus dem all sein Blut ungehindert herausströmte.
Man brauchte viel Kraft und auch Glück, um die tanzende Schale wieder einzufangen und an das Motorboot zu seilen. Als Losskow endlich das Tau auffing und einhakte, sank in der Kajüte Lucrezia auf die Polsterbank und weinte in kindlich hohen Tönen. Helena Sydgriff lehnte sich zurück und vergrub beide Hände in ihre Haare.
»Hör auf!« sagte sie rauh. »Hör sofort auf mit der Heulerei! Ich explodiere sonst!«
»Dann heul doch auch!« schrie Lucrezia. »Das macht frei! Aber lieber zerplatzt du!« Sie preßte das Gesicht ins Polster und weinte weiter. Helena stand auf, schwankte bis zur Treppe der Flybridge und sah, wie Randler über der Wand hing und kotzte. Losskow hielt immer noch Troskys Kopf umklammert. Es war unmöglich, ihn jetzt heranzuziehen und an Bord zu nehmen.
Sie brauchten zwei Stunden, bis sie an die Mole des Werfthafens kamen und damit in ruhigeres Wasser. Dort holte man Losskow und Trosky über, und Helena verband die Platzwunde. Lucrezia gebärdete sich, als seien gleich zwei Geliebte aus dem Krieg zurückgekommen, küßte Peter und Jan ab und heulte wieder, mit einem Anflug von Hysterie.
Losskow trank einen großen Aquavit. Bis zur Selbstauflösung erschöpft, lag er auf der Polsterbank in der Kajüte und freute sich dennoch über Randler, der völlig apathisch in einem Sessel hing, fahlbleich, fast gelblich im Gesicht, und noch immer seine rotumränderten Augen nicht unter Kontrolle bringen konnte. Herr van Fleterword war sichtlich beleidigt. Obwohl es sich doch
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