Die Fahrt nach Feuerland
erwiesen hatte, daß sein Schiff unsinkbar war. Aber so idiotisch benahm sich kein Schipper, wie Losskow es simuliert hatte!
»Wie immer«, sagte Losskow schwach, noch ehe sie am Steg anlegten. »Die Schwachstellen sind die Mäste und das Tauwerk! Im Notfall kann man sie nicht so schnell kappen, wie sie ein Boot zerstören können.«
»Deshalb haben wir bei Ihrem Boot auch eine Mastkappvorrichtung eingebaut. Sie knicken sekundenschnell den Mast, wenn er zu brechen droht.« Herr van Fleterword wedelte mit beiden Händen. »Aber dazu wird es nie kommen! Ich nehme an, Sie wollen wie ein vernünftiger Mensch segeln. Aber Sie haben immerhin gesehen: Sie sind unsinkbar!«
»Auch mit vollem Ballast?«
»Auch damit. Was Sie eben da draußen gemacht haben, haben wir alles in unserem Windbecken durchgetestet. Da das Boot keinen Widerstand leistet, hält es jedem Wellenschlag stand. Glauben Sie es nun?«
»Es ist noch viel zu tun«, sagte Losskow. Auf der anderen Polsterbank hob Trosky den Kopf und fluchte auf tschechisch. Er betastete sich, sah Helena und Lucrezia mit flatternden Augenlidern an und setzte sich dann aufrecht. »Jetzt einen Whisky, nicht wahr?« fragte Losskow.
»Wieso lebe ich noch?« Trosky sprach mühsam, mit schwerer Zunge. Er zwinkerte mit den Augen. Für ihn war Losskow zweimal vorhanden, er sah ihn doppelt. Auch das Licht blendete ihn – die typischen Anzeichen einer schweren Gehirnerschütterung. »Der Kopf ist noch dran. Erstaunlich.«
»Peer hat ihn fast eine Stunde lang festgehalten«, sagte Helena. »Vielleicht wäre er sonst abgerissen worden.«
»Ist das wahr?« Trosky sah Losskow an. »Du hast mir ein neues Leben geschenkt? Muß ich jetzt Papa zu dir sagen?«
Lucrezia lachte schrill. »Dämliches Luder!« zischte Helena. Die Stimmung war miserabel; die Anspannung der Nerven löste sich; es bildeten sich Aggressionsschübe. In solchen Momenten kann man sich bis aufs Blut hassen – und kann es später nie erklären. Die Nerven laufen einem davon, man ist nicht mehr verantwortlich.
»Wir müssen noch viel tun«, wiederholte Losskow. »Nicht am Boot. An uns! So wie wir heute sind, reicht es gerade aus, um von Mallorca nach Ibiza zu segeln, bei strahlendem Sonnenschein!«
»Danke für das Kompliment!« grunzte Trosky. »Wir werden uns bemühen, wie ein Fels im Boot zu stehen und gegen die Wellen zu pinkeln.«
Lucrezia lachte wieder hysterisch, dann fiel sie ins Schluchzen zurück und schlug nach Helena, als diese sie »Dumme Ziege« nannte. Von der Werft fuhr man wortlos ins Hotel zurück, ging auf sein Zimmer und schloß sich ein.
Später rief Losskow bei Helena an. »Was willst du?« fragte sie grob.
»Ich nehme es dir nicht übel, wenn du aussteigst«, sagte er.
»Aber ich nehme es dir übel, daß du solch einen Unsinn redest!« erwiderte sie und legte auf.
Eine Woche später – Jan Trosky hatte seinen Unfall blendend überstanden, er hatte einen Eisenschädel, was jeder bestätigte – begann eine neue Übungsphase: das Zusammenleben in einer Rettungsinsel.
Randlers Fotos von der Unsinkbarkeit des Bootes waren unbrauchbar. Er hatte das geahnt. Die Bilder waren total verwackelt, grau und verschwommen und zeigten nur Wasser oder Himmel. Das Boot hatte er nur zweimal drauf und dann nur am Rande. Außerdem waren die Bilder wie überzogen von einem Netz aus seltsamen Schlieren.
»Da habe ich voll über die Kamera gekotzt!« erklärte Randler unbefangen. »Nicht für eine Million würde ich die Reise mitmachen! Und die machen das freiwillig!«
Er schrieb einen unerhört dramatischen Situationsbericht und ließ zwei Szenen sogar zeichnen, so daß man glauben konnte, vor Hollands Küste habe ein riesiges Seebeben das Meer aus dem Bett gehoben.
Für diesen zweiten Versuch hatte man eine seetüchtige Motoryacht gechartert und fuhr wieder hinaus in das Gebiet nördlich von Helgoland. Dort ließ man die runde gelbe Rettungsinsel zu Wasser, diese kleine, aufgeblasene Wanne mit dem spitzen Zeltdach, dem zuckenden Notsignal, den Proviantsäckchen und Frischwasserkanistern und der kleinen Batterieheizung.
Die Aufgabe hatten sie vorher genau durchgesprochen: Eine Woche lang leben unter extremen Bedingungen. Daß draußen eine Motoryacht sie überwachte, mußte man vergessen. »Um uns ist nur Wasser!« sagte Losskow. »Sonst nichts! Die nächste Küste ist irgendwo. Hundert Meilen entfernt. Das ist die Situation.«
»Wer gläubig ist, sollte ein Gesangbuch mitnehmen!« sagte Trosky. »So wie
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