Die Fahrt nach Feuerland
Bordwand schwamm und ihn aus seinen kleinen, kalten Augen voll Mordlust anstarrte, einen Haken an einem Stahlseil hinein in den Nacken und zog den Fisch mit der kleinen Handwinde an Bord. Der schwere Leib schnellte hoch, die Schwanzflossen schlugen um sich.
»Paß auf!« rief Losskow. »Er kriegt dich auch so. Ich steche ihn ab.«
Aber Trosky wartete nicht. Mit einem langen Messer in der Hand kam er näher, sein Gesicht glänzte vom Schweiß, aber das Lächeln war unnatürlich und starr, eine verzerrte Maske. Mit beiden Beinen stellte er sich auf die Harpune. Der Hai, nun auf der Seite liegend, zuckte wild und wollte sich aufbäumen.
»Nicht bei mir!« sagte Trosky mit seltsam monotoner Stimme. Er bückte sich und stieß mit dem Messer zu – zuerst in die Augen des Hais, dann in den Nacken, dann immer und immer wieder in den Hals, den Körper, die Bauchseite. Blut überspritzte ihn, bis zu den Oberarmen wurde er rot, aber er hörte nicht auf zuzustechen, und als der Hai nur noch in seinen Nerven zuckte und endlich getötet war, setzte er das Messer mit Schwung an, trieb es in den Bauch des Tieres und schlitzte ihn mit einem mächtigen Ruck auf. Helena würgte und schlug die Hände vor den Mund. Lucrezia flüchtete unter Deck. Vor dem Hai kniend, in einer großen Lache von Blut und zerfetztem Fischfleisch, mit röchelndem Atem, blickte Trosky hoch zu Losskow.
»Er gehört mir«, stammelte er heiser.
»Es nimmt ihn dir keiner weg.«
»Ich habe ihn besiegt. Er ist über drei Meter.«
»Steh auf und wasch dich!« sagte Losskow.
Trosky schüttelte den Kopf. »Mein Hai!«
»Ich passe auf ihn auf, Jan.«
Trosky nickte. Er erhob sich aus dem Blut, stieg über den toten Hai hinweg, ließ das lange Messer fallen und tappte zum Bug. Dort holte er an einer Leine mit einem Eimer Wasser aus dem Meer, fünfmal, goß das Wasser über sich, spülte das Blut ab und stieg dann unter Deck, um sich umzuziehen. Die Nerven des Fisches zuckten noch immer. Aus dem aufgeschlitzten Leib quollen die Därme.
»Ich habe Angst«, stammelte Helena und würgte noch immer. »Peer, ich habe wahnsinnige Angst …«
Am Abend hing der Hai anstelle der Zielscheibe aus Stroh an dem Balken auf dem Vorderdeck, und Trosky warf mit Messern nach dem Kadaver.
Fast jeder Wurf blieb in dem festen Fleisch stecken. Trosky war sehr zufrieden. Man sah es ihm an.
Und noch mal zweiundzwanzig Tage.
Nur Ozean, nur Himmel, nur Sonne oder Regen, feuchtwarme Tage und klammkalte Nächte, nur hin und her wogende Einsamkeit, ein Meer, das im Sturm weiß schäumte und bei Windstille einem blauen, zähen Brei glich. Haß auf alles, was um einen war, blinde Wut beim Anblick der anderen … Auf ein paar Quadratmetern Kunststoff und Holz, Aluminium und Isolierglas vollzog sich der Zerfall von vier Menschen.
Der Hai war von den Messerwürfen mittlerweile zerfetzt, aber er hing noch immer am Bug. In der Sonne verweste er schnell. Da es eine feuchte Wärme war, trocknete er nicht aus und wurde ledern, sondern er zersetzte sich. Der Gestank, dieser herbsüße Verwesungsgeruch, konnte auch vom Wind nicht weggetragen werden, er lag über dem Boot, kroch in die Kajüte, setzte sich wie klebriges Gas an den Wänden fest.
Ein paarmal versuchten Helena und Lucrezia, den Kadaver abzuschneiden, aber Trosky stieß sie weg, schlug sogar nach Luzi und brüllte: »Das ist mein Fisch!«
Losskow gelang es endlich, den Hai fast zu halbieren, indem er ein Beil gegen den faulenden Körper warf. Trosky schrie auf, stürzte sich auf Losskow und drückte ihn gegen den Kabinenaufbau.
»Du Hund!« stammelte er. »Du neidischer Hund! Nur weil du keinen Fisch hast, zerstörst du meinen. Aber das sage ich dir: Finger weg! Ab sofort! Wer meinen Hai anfaßt, der hat das Messer im Leib!«
»Der Gestank bringt uns um!« schrie Losskow.
»Mich nicht! Ihr stinkt mir viel mehr!«
Jeden Tag mehrmals berechnete Peter die Position. Sie mußten in die Nähe der Falkland-Inseln kommen, die Temperatur sank merklich, auch wenn die Sonne voll herunterschien. Das Meer wurde kälter, man merkte die Nähe des Südpols, auch wenn er noch Tausende von Meilen entfernt war. Vor allem die Nächte wurden unangenehm. Unter das Ölzeug, das sie jetzt oft wegen des plötzlich wechselnden Wellengangs trugen, zogen sie dicke Pullover und warme Wollmützen, um alles wieder abzustreifen, wenn ein warmer Tag das Thermometer hochtrieb.
An einem dieser Tage gelang es Lucrezia, während Trosky unter Deck eine dicke
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