Die Fahrt Zu Den Sternen
sie dir ohne Vorwarnung gegenüberstünden.«
»Das war… sehr aufmerksam von ihm.« Schock? Was war das? Diese Taubheit, die sich ihrer bemächtigte; dieses Gefühl, halb körperlos zu sein, halb unter Empfindungen zu versinken, die sie nicht zu benennen vermochte – war das ein Schock? Sie fühlte sich, als ob sie vergiftet worden wäre; ihre Gliedmaßen kribbelten, ihre Beine knickten unter ihr weg, und ihre Augen vermochten das Licht nicht mehr wahrzunehmen, das einen Augenblick zuvor noch dagewesen war. Wenn sie wahrhaftig vergiftet worden wäre, hätte sie sich allerdings mühelos selbst heilen können. Diese auf sie einstürzende Finsternis jedoch war nichts, was sie mit einer Berührung ihres Horns heilen konnte.
»Acorna?« Wie aus weiter Ferne drang Calums Stimme an ihr Ohr. »Acorna! Alles in Ordnung? Ich dachte, du würdest dich freuen!«
»Natürlich freue ich mich«, beteuerte sie mit einer gewaltigen Anstrengung. Sie zwang ein Lächeln auf ihre Lippen. »Meine Leute. Mein Traum ist wahr geworden. Wie könnte ich da etwas anderes sein als glücklich, liebster Calum?«
»Nun, das dachte ich eigentlich auch«, meinte er, immer noch voller Zweifel, »aber einen Augenblick lang hast du beinahe krank ausgesehen. Meinst du, daß du dir irgendwas eingefangen haben könntest? Aber eigentlich geht das doch gar nicht… du wirst doch nie krank!«
»Das tue ich auch nicht«, stimmte sie ihm mit einem weiteren Lächeln zu. »Ich glaube, mir war nur einen Augenblick lang ein wenig schwindlig. Es war ja doch ein ziemlicher Schock, weißt du.« Sie dachte an die Enttäuschung, die Calum jetzt sicherlich empfand, die er aber vor ihr verbarg. So ein treuer Freund… er und Gill und Rafik waren immer gut zu ihr gewesen, die einzige Familie, die sie je gekannt hatte. Calum hatte ihren Heimatplaneten doch selbst für sie ausfindig machen wollen und sich gewiß nicht gewünscht, die Antwort einfach auf dem Silbertablett präsentiert zu bekommen. Das mindeste, was sie jetzt für ihn tun konnte, war deshalb, so zu tun, als ob sie sich rückhaltlos freue.
»Stell dir vor, Calum, jetzt müssen wir nicht mehr monatelang warten, um herauszufinden, ob du recht hattest.
Meine… Leute werden uns bestimmt die genaue Position des Ortes nennen können, von dem sie gekommen sind. Wird es nicht interessant sein herauszufinden, ob die Koordinaten mit dem Zielgebiet übereinstimmen, das wir uns auf der Grundlage deines Programms ausgesucht haben?« Er konnte immer noch die Befriedigung haben, mit seinen Annahmen ins Schwarze getroffen zu haben… falls er richtig gelegen hatte.
Calum grinste. »Du hast recht! Wir brauchen keinen Konstruktionsbeweis mehr; wir werden über einen Existenzbeweis verfügen! Und noch etwas – «
»Calum, du weißt doch, daß ich dein mathematisches Kauderwelsch nicht verstehe«, warnte ihn Acorna.
»Es geht nicht um mein Suchprogramm. Es geht um dein Volk! Rafik sagt, deine Leute sind alle Telepathen, ist das nicht wundervoll? Und sie haben eine sehr hochstehende Ethik; es hat eine ganze Weile gedauert, bis sie zu einer Entscheidung gekommen sind, ob wir es überhaupt wert sind, sie kennenzulernen.« Unverdrossen verdichtete Calum das, was schon Rafik drastisch verkürzt dargestellt hatte: die Diskussion der Linyaari darüber, ob die Menschen linyarii oder khlevii waren. »Ach, und übrigens, sie bezeichnen sich selbst als Linyaari, wenn ich auch annehme, daß das in ihrer Sprache schlicht nur so etwas wie ›Volk‹ bedeutet. Ihre Technologie ist der unseren in manchen Bereichen haushoch überlegen – anscheinend haben sie eine Art automatisches Sprachlernsystem. Die Linyaari, die hierher kommen, können deshalb schon Basic sprechen. Du wirst dich also sofort mit ihnen unterhalten können, ist das nicht toll? Und das allerbeste, Acorna: Eine von ihnen ist deine Tante!« strahlte Calum, als ob er ihr ein wunderbares Geschenk überreichen würde.
»Mich mit ihnen unterhalten?« wiederholte Acorna kraftlos.
»Ja, von Anfang an. Obwohl, wenn ich es mir so überlege, du wirst wahrscheinlich nicht einmal Basic benutzen müssen.
Wenn sie alle Telepathen sind, dann mußt du es ja auch sein.
Du wirst also einfach unmittelbar mit ihrem Bewußtsein verschmelzen können.«
»Das ist… wunderbar.«
Calum wirkte plötzlich unsicher. »Dein eigenes Volk, deine eigene Familie… Acorna, du vergißt uns aber nicht ganz, ja?
Gill und Rafik und mich?«
Acorna erhob sich wieder aus der Hocke, in die der
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