Die Fahrt Zu Den Sternen
Menge Unsinn redest«, wischte Calum ihre Ausführungen vom Tisch. »Ich bin diesem Ödipus-Typen noch nie begegnet und lege, was das angeht, auch wenig Wert darauf, weil der sich für mich ziemlich durchgeknallt anhört. Du bist nicht durchgeknallt und du wirst auch niemanden umbringen – und die Linyaari wollen dich ganz sicher haben. Sie haben schließlich eine verdammt weite Reise auf sich genommen, um dich zu finden. Deshalb bezweifle ich ernsthaft, daß sie dich jemals absichtlich mit einer Fluchtkapsel ins All geschossen haben. Es wird bestimmt irgendein Unfall gewesen sein, das ist alles. Und bestimmt werden sie das Ganze aufklären, sobald sie Rushima erst mal erreicht haben.«
Acorna hatte inzwischen das Handtuch zu Boden fallen lassen, mit dem sie ihre Mähne trockengerubbelt hatte, und nickte stumm. In dem Irrglauben, daß er Acornas Befürchtungen zerstreut hatte, beging Calum den Fehler, einen Nachtrag anzufügen: »Schön, also warum ziehst du dir jetzt nicht etwas über? Such dir was Hübsches raus; du willst doch nett aussehen, wenn deine Leute hier ankommen.«
»Du hast überhaupt nichts kapieeeert«, heulte Acorna wie ein geprügelter Hund auf und begann wieder hemmungslos zu schniefen und leise wiehernd zu wehklagen. Calum tätschelte tröstend ihre Schulter und betete zu den Göttern der Linearen Gleichungssysteme, daß Gill, Judit, Rafik oder irgendwer sonst, der sich auf Frauen verstand, sie erreichen möge, bevor die Linyaari auftauchten und wissen wollten, warum er ihr Findelkind zum Heulen gebracht hatte. Aber zu seiner großen Erleichterung beruhigte sie sich schnell und wurde wieder –
zumindest nach außen hin – zu dem stillen, sanftmütigen Mädchen, das er aufgezogen hatte. Es war die Ankunft von Joshua Flouse mit den ersten Siedlerflößen, die sie wieder normal werden ließ. Als sie die platschenden Geräusche hörte, die die Kolonisten beim Näherkommen über die Flutebene machten, spritzte sich Acorna rasch ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht und schlüpfte in ihren Overall. »Es tut mir leid«, entschuldigte sie sich. »Ich habe mich albern benommen, dabei haben wir hier eine Aufgabe zu erledigen. Calum, müßtest du nicht allmählich zur
Haven
hochfliegen und den
bereitstehenden Arbeitstrupp abholen?«
»Wir können genausogut vorher noch die erste Fuhre Siedler auf höhergelegenes Gelände verfrachten und dann von dort aus zur Haven weiterfliegen«, beschloß Calum. »Aber ihre Sachen werden sie vorerst noch hierlassen müssen, ausgenommen das, was sich jeder als Handgepäck unter den Arm klemmen kann.
Sobald ich die Jungs und Mädels von der Haven runtergebracht habe, können die das Ein- und Ausladen der Schwergüter übernehmen.«
Als Calum den Kolonisten diese Entscheidung verkündete, verursachte das einen Aufruhr, den nur Acorna wieder zu beschwichtigen vermochte. Aber als sie tapfer durch das Flutwasser watete und mit einer Siedlergruppe nach der anderen geduldige Einzelgespräche führte, erstarb der einhellige Aufschrei der Empörung allmählich.
Zähneknirschend stakten die Rushimaner ihre Flöße, die sie mit allem an persönlicher Habe beladen hatten, was sie vor den Unwettern hatten retten können, schließlich wieder zurück an das durchweichte »Ufer«. Einmal dort angekommen, stellte Joshua Flouse erneut jene Führungsbegabung unter Beweis, die ihn zum Sprecher dieser Siedlergemeinde gemacht hatte, indem er seine Leute anwies, ihren mitgebrachten Hausrat rasch in jeweils zwei Haufen auszusortieren, in solche Dinge, die zu empfindlich waren, um sie unbeaufsichtigt zurückzulassen, und jene, die Hoas Wettereingriffe wahrscheinlich überstehen würden, wenn man geeignete Schutzvorkehrungen für sie traf.
Selbst mit dieser von den Siedlern selbst vorgenommenen Aufteilung und mit Calums Auflage, daß jeder Flüchtling alles, was er jetzt schon mitnehmen wollte, auch selbst tragen müsse, blieb an ihm und Acorna doch weitaus mehr als der ihnen rein rechnerisch zustehende Anteil an der Plackerei hängen. Denn Kinder und alte Leute und Kranke waren auf die Hilfe von Dritten angewiesen, um auf die Acadecki gelangen zu können, und ihre Helfer konnten derweil natürlich nichts anderes schleppen. Also verstaute Calum persönlich Stück für zerbrechliches Stück eines kompletten Teeservice an Bord des Raumers, das für eine Unsumme von der Shenjemi-Heimatwelt hierher gebracht worden war, und verfluchte sich dafür, daß er seine Zeit mit solchem Tand
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