Die Falken Gottes
ein wenig mechanisches Feingefühl, etwas Geschicklichkeit und natürlich die nötige Konzentration, um mit dem richtigen Druck auf die Stifte im Schloß die Verriegelung zu lösen.
Magnus schaute sich noch einmal auf dem Korridor um |64| und vergewisserte sich, daß sich niemand in der Nähe aufhielt, dann machte er sich ans Werk. Es dauerte keine Minute, bis er mit dem Spanner das richtige Drehmoment gefunden hatte und das Schloß sich mit einem Klacken öffnete. Magnus trat in den Raum und verschloß die Tür.
Das Zimmer war eng mit Möbeln zugestellt. Neben einem Schreibpult, auf dem Feder und Tinte bereitstanden, gab es hier noch einen breiten Tisch, zwei Regale, die mit Schriftrollen und Büchern gefüllt waren, eine große Eichentruhe und mehrere kleine Kisten mit Eisenverschlägen.
Magnus machte sich zunächst daran, die Papiere auf dem Schreibpult einzusehen. Es handelte sich jedoch nur um Rechnungen und Inventaraufstellungen, die ihn nicht interessierten.
Er prüfte einige der aufgerollten Dokumente aus dem Regal, fand aber auch hier nicht das, wonach er suchte. Magnus hob den Deckel der großen Truhe an und drückte ihn rasch wieder hinunter, als ihm ein schwerer Uringeruch entgegenschlug. In der Truhe stand ein Nachtgeschirr, das wohl schon seit mehreren Tagen nicht mehr ausgeleert worden war.
Nun blieben nur noch die kleineren Kisten übrig. Magnus öffnete mit seinen Werkzeugen das Schloß des ersten Kastens und stieß auf einige lose Papiere, auf denen lange Zahlenreihen niedergeschrieben worden waren. Bei dem Text handelte es sich eindeutig um eine Chiffre. Genau danach hatte er gesucht. Salvius würde mit ihm zufrieden sein.
Magnus zog ein unbeschriebenes Papier hervor, tauchte am Schreibpult den Federkiel in das Tintenfäßchen und begann, die Zahlen zu kopieren. Einen Augenblick später hielt er erschrocken inne, denn auf dem Korridor hörte er Schritte und auch die Stimme von Erik Sonnert.
Ihm blieb keine Zeit mehr, den Raum zu verlassen. Fieberhaft suchte Magnus nach einem Versteck. Sein Blick fiel auf die große Truhe. Er steckte das Papier unter sein Wams |65| und klappte den Deckel hoch. Der Gestank ließ ihn zögern, doch als ein Schlüssel im Türschloß klapperte, kletterte Magnus rasch in die Truhe, die gerade groß genug war, daß er sich hineinkauern konnte. Unmittelbar bevor die Tür geöffnet wurde, zog er den Deckel nach unten und versuchte in der Enge eine einigermaßen erträgliche Sitzhaltung zu finden – wobei er natürlich vor allem darauf bedacht war, mit seinen Füßen nicht den Urintopf umzustoßen.
Schritte näherten sich. Magnus vernahm dumpf Oxenstiernas Stimme.
»Gyllenhammers Wortschwall läßt meinen Kopf dröhnen, als schlüge ein Hammer zwischen meinen Ohren«, klagte der Graf.
»Es scheint, als hätte Ohlin ebenfalls vor seinen dümmlichen Bemerkungen die Flucht ergriffen«, entgegnete Sonnert.
»Und vor Arvidsons spitzer Zunge.« Magnus hörte das Rascheln von Papier. »Aber wir sind nicht hier, um über Salvius’ törichten Neffen zu sprechen. Ihr wolltet mich darüber unterrichten, welche Nachricht Wrangel an mich persönlich abgeschickt hat.«
Magnus atmete so flach wie möglich. Der Gestank des Urins ließ ein Gefühl der Übelkeit ausgehend von seinem Magen aufsteigen. Er zwang sich zur Ruhe und versuchte sich auf die Worte zu konzentrieren, die zwischen Oxenstierna und Sonnert gewechselt wurden. Dieses Gespräch, das er hier so unverhofft belauschen durfte, versprach interessantere Einsichten in Oxenstiernas Machenschaften als jede Chiffre.
»Erskein hat mir heute morgen eine vertrauliche Depesche überreicht, in der Wrangel Euch eine Donation von zwölftausend Talern in Aussicht stellt«, sagte Sonnert.
Ein kurzes Schweigen trat ein, dann wollte Oxenstierna wissen: »Was verlangt er für dieses Geld von mir?«
|66| »Nicht viel. Wrangel verweist auf den Aufstand der bayerischen Armeeoffiziere. Er würde es begrüßen, wenn in nächster Zeit so hohe Forderungen an Kurfürst Maximilian gestellt werden, daß er sich empört dazu entschließt, den Waffenstillstand mit Schweden aufzukündigen.«
Magnus hatte schon seit längerem vermutet, daß Oxenstierna sich die Taschen mit Bestechungsgeldern füllte. Es gab eigentlich kaum einen Gesandten hier oder in Münster, der nicht mit kleinen oder großen Geschenken in seiner Meinung zu beeinflussen war, doch daß Oxenstierna für Geld den Waffenstillstand mit Bayern aufs Spiel setzen würde, verwunderte
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