Die Falken Gottes
zerteilte.
Erskein räusperte sich. »Die Forderung des Oberbefehlshabers |59| und der Generalität werden Euch hoffentlich nicht den Appetit verderben.«
»Zum Teufel mit Wrangel und seinem widerlichen Geschmeiß«, rief Oxenstierna wütend aus und warf sein Besteck auf den Boden. Das Scheppern ließ die Anwesenden zusammenzucken, obwohl den meisten von ihnen die zornigen Ausbrüche des Grafen nicht fremd waren. Sofort eilte eine Magd herbei, sammelte Messer und Gabel auf und legte neues Besteck für Oxenstierna bereit.
Magnus konnte den Unmut des Grafen über den schwedischen Oberbefehlshaber Wrangel verstehen. Jeder an dieser Tafel wußte, welche Schwierigkeiten ein Friedensschluß für den schwedischen Staat mit sich brachte, denn bizarrerweise entschied einzig das komplizierte System der Kriegsfinanzierung darüber, wann die Waffen schweigen würden. Ein umfassender Friede hätte zur Folge, daß Schweden sämtliche Kredite und Schulden, die sich während des jahrelangen deutschen Feldzuges angesammelt hatten, zurückzahlen mußte, und dies konnte den Staatsbankrott des Reiches bedeuten, wenn es nicht gelang, den letzten Taler aus den Truhen der Gegenseite herauszupressen.
Wann immer Verhandlungen über einen teilweisen Waffenstillstand aufgenommen worden waren, wurden diese von Carl Gustav Wrangel sabotiert. Wrangel verfolgte dabei vor allem seine Privatinteressen, denn ihm war der Posten des Oberbefehlshabers erst vor einigen Monaten anvertraut worden, während die meisten seiner Offiziere in den vergangenen Jahren bereits recht ansehnliche Vermögen angehäuft hatten. Auf der Suche nach Beute hatte Wrangel seine Armee darum nach Böhmen geführt und belagerte seit Wochen die Stadt Eger.
Ein Frieden konnte aber erst geschlossen werden, wenn die Armeeführer bereit waren, ihre Truppen aus dem Feld zu führen. Aus diesem Grund hatte die Königin von Schweden |60| den Kriegsrat Erskein geschickt, um über die Ansprüche der Generalität zu verhandeln. Und als der Unterhändler nun dem Grafen Oxenstierna das Ergebnis dieser Verhandlungen mitteilte, sorgte dies für einen weiteren Wutausbruch des Hauptgesandten.
»Zwanzig Millionen Taler?« Oxenstierna schlug mit der Faust auf den Tisch. An seiner Schläfe schwoll eine Ader an, und sein Gesicht färbte sich rot. »Wer könnte diese Summe jemals aufbringen?« ereiferte er sich.
»Der Betrag muß entrichtet werden, um die Ansprüche der Generalität zu unterbinden. Unser seliger König Gustav Adolf und nicht zuletzt Euer Vater haben unsere Offiziere stets mit großzügigen Schenkungen bedacht, nun fordert der Generalstab die Bistümer Minden, Hildesheim, Paderborn, Osnabrück, Teile von Münster, Schwednitz, Jauer, Sagan und Glogau sowie die Zahlung des rückständigen Soldes ihrer Mannschaften und der eigenen Auslagen.«
»Erwartet Ihr, daß unser Volk diese Gelder aufbringt?« spottete Oxenstierna. »Andere Völker führen Kriege, weil sie reich sind, Schweden aber, weil es arm ist.«
Magnus überlegte, ob er Oxenstierna darauf hinweisen sollte, daß er soeben Adler Salvius zitiert hatte, doch im nächsten Moment erhob sich bereits Gyllenhammer neben ihm und rief vom Wein beflügelt: »Der deutsche Kaiser ist uns auf dem Feld unterlegen. Wir müssen ihn dazu bringen, daß er und die katholischen Reichsstände für die Kriegskosten aufkommen.«
Alexander Erskein zog eine ablehnende Miene. »Wenn Ihr auf eine solche Lösung unserer Probleme hofft, werdet Ihr weitere dreißig Jahre auf einen Frieden warten müssen. Die Kassen des Kaisers wurden in diesem Krieg nicht minder gebeutelt wie die des schwedischen Staates.«
»Und was schlagt Ihr vor?« wollte Oxenstierna wissen.
»Schröpft die Reformierten! Sie wollen die
Confessio
|61|
Augustana
für sich in Anspruch nehmen, also laßt sie für dieses Privileg zahlen.«
»Unsere Bundesgenossen werden nicht in der Lage sein, solch gewaltige Summen aufzubringen«, schaltete sich Magnus ein. Es erstaunte ihn immer wieder, daß die Kluft zwischen den verschiedenen protestantischen Parteien während dieses Kongresses oft deutlicher hervortrat als die Gegensätze zwischen den eigentlichen Kriegsgegnern, auch wenn es natürlich viele offene Fragen gab. Der seit fast einhundert Jahren währende Augsburger Religionsfriede hatte den deutschen Protestanten den Schutz des Reiches zugesichert, aber es war niemals eindeutig geklärt worden, ob diese Rechte auch auf die reformierte Lehre angewandt werden konnten.
Weitere Kostenlose Bücher