Die Falken Gottes
nicht allzulang, bis Magnus Schritte und Stimmen vernahm. Johan Adler Salvius und der Gesandte Schneider traten in den Verkaufsraum. Magnus hielt sich bedeckt, bis Salvius den elsässischen Vertreter verabschiedet hatte, dann begrüßte er seinen Onkel mit einer tiefen Verbeugung und bat um eine Unterredung.
Salvius brummte zustimmend und winkte ihn mit sich zur Treppe. In den vergangenen Wochen hatte Magnus bemerkt, daß sein Onkel die Schritte immer schwerer setzte und oftmals ein Stöhnen von sich gab, wenn er eine Treppe hinaufsteigen mußte oder sich aus einem Sessel erhob. All die Jahre hatte er Salvius als tatkräftigen und energischen Mann erlebt, der als der fähigste Diplomat des schwedischen Reiches galt und dessen Verhandlungsgeschick legendär war. Nun jedoch wirkte der knapp Sechzigjährige, der für Magnus seit seiner Jugend ein Vorbild und Förderer gewesen war, schwach und melancholisch. Seine angeschlagene Konstitution begründete Salvius zumeist mit den ungewöhnlich kalten Wintern und den zahlreichen Regenstürmen in dieser Region, doch Magnus ahnte, daß sein Onkel vor allem darunter litt, daß er sich von Johan Oxenstierna, der ihm an Geist und Charakter weit unterlegen war, an die zweite Stelle innerhalb der schwedischen |107| Friedenskommission gedrängt sah. In den vergangenen Monaten hatte sich ein zermürbender Konflikt zwischen den beiden entwickelt, der zur Folge hatte, daß die beiden Diplomaten mehr Politik gegeneinander als miteinander betrieben. Während sich Salvius gemäß dem Auftrag der Königin Christina um einen baldigen Friedensschluß bemühte, vertrat Johan Oxenstierna die Vorstellungen seinen Vaters, des Kanzlers, möglichst umfangreiche Zugewinne für Schweden zu erzielen.
Es betrübte Magnus, die Kräfte seines Onkels dahinschwinden zu sehen, denn er fühlte sich ihm zu Dank verpflichtet, weil dieser sein Leben in eine entscheidende und sinnvolle Richtung gelenkt hatte. Die Torheit der Jugend hatte Magnus weit häufiger in die Tavernen und Hurenhäuser getrieben als in die Schulen. Mit gerade einmal siebzehn Jahren hatte er so ausgiebig den Freuden des Weines und den Wonnen seiner Lenden gefrönt, daß sein Vater keine andere Möglichkeit mehr gesehen hatte, als ihm die Vernunft und den Fleiß mit Prügeln einzubleuen. Im nachhinein brachte Magnus dafür sogar Verständnis auf. Welcher Mann aus der bürgerlichen Oberschicht wollte schon einen Säufer und Hurenbock großziehen? Damals jedoch hatte jeder einzelne Stockhieb Magnus’ Stolz verletzt und ihn noch aufsässiger werden lassen, bis er einen regelrechten Haß auf seinen Vater entwickelt hatte. Vielleicht wäre dieser Streit folgenschwer eskaliert, wenn die Mutter ihn nicht in die Obhut ihres Bruders, des Hofkanzlers und Geheimen Rates Johan Adler Salvius gegeben hätte. Im Gegensatz zu den Methoden des Vaters maßregelte Salvius seinen Neffen mit Worten und Argumenten statt mit Schlägen, und er vertraute Magnus an, daß er einen scharfen Intellekt an ihm entdeckt habe, der mit einer gewissen Disziplin in eine sehr nützliche Richtung gelenkt werden könne. Das Vertrauen, daß sein Onkel vom ersten Tag an in ihn gesetzt hatte, hatte Magnus beeindruckt, |108| und auch wenn er bis heute sein Faible für hübsche Frauen und den verlockenden Wein nicht gänzlich abgelegt hatte, war er doch fortan bereit gewesen, Salvius’ Erwartungen zu erfüllen. Sein Onkel schickte ihn schon bald nach Rostock, wo Magnus ein Studium der Jurisprudenz aufnahm. Salvius sorgte darüber hinaus dafür, daß Magnus in die Geheimnisse der Kryptographie – der Kunst, Nachrichten zu chiffrieren und fremde Verschlüsselungen zu lösen – ausgebildet wurde, und wie sich herausstellte, erwies sich Magnus bald als wahrer Meister darin, chiffrierte Texte zu entschlüsseln.
Auch nach dem Abschluß seines Studiums hatte Salvius weiter seine Schritte gelenkt. Magnus fühlte sich jedoch zu keiner Zeit von seinem Onkel bevormundet, denn ihm war klar, daß er nur als Schützling eines mächtigen und starken Mannes rasch Karriere machen konnte. Johan Adler Salvius wurde zu seinem Patron, und Magnus, als Klient dieses hohen Patrons, unterwarf sich ihm und erhielt dafür Hilfe und Schutz. Salvius arrangierte seine Ehe mit Svante Giöken, er machte ihn mit Königin Christina von Schweden bekannt, verschaffte ihm eine Position als juristischer Berater auf dem westfälischen Friedenskongreß und erwartete im Gegenzug von Magnus, daß dieser die kleine
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