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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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zufrieden.«
    »Nicht ganz«, erwiderte Anneke. »Ihr habt versprochen, mich wieder heimzubringen.«
    »Das habe ich wohl.« Ohlin war anzumerken, daß er keine allzu große Lust verspürte, noch einen weiteren Ritt an diesem Tag zu unternehmen. Dennoch war Anneke überzeugt, daß er sein Versprechen einhalten würde. So geckenhaft und überheblich dieser Magnus Ohlin sich auch häufig aufspielte, glaubte sie mittlerweile doch, daß er ein Mann war, der zu seinem Wort stand. Schließlich hatte er ihr die fünf Schillinge bezahlt und sie nach Osnabrück gebracht.
    »Ich frage mich, warum du so versessen darauf bist, in die |98| Stadt zu kommen«, sagte Ohlin, als sie das Tor hinter sich gelassen hatten.
    »Das habe ich Euch doch erklärt«, meinte Anneke. »Ich will ein Buch kaufen und …«
    »Ein Buch kaufen – ja, das hast du mir gesagt. Aber ist das auch die Wahrheit?«
    »Ich lüge nicht«, erwiderte Anneke gereizt.
    Ohlin grinste. »Ich vermute eher, es gibt hier in der Stadt einen Mann, den du treffen möchtest. Einen jungen Burschen, der dir den Kopf verdreht hat.«
    »Unsinn.« Anneke rollte die Augen. Es sah Ohlin ähnlich, daß er eine solche Vermutung anstellte. »Wann würde solch ein Kerl mich denn schon zu Gesicht bekommen?«
    »Mir ist es gleich, wofür du das Geld verschwendest. Ohlin deutete zu einer Turmuhr. »Aber du hast dich zur vierten Stunde wieder hier am Tor einzufinden.« Er schnalzte mit der Zunge, trieb das Pferd voran und war bald darauf aus Annekes Blickfeld verschwunden.
    Anneke wollte keine Zeit verlieren und suchte eiligen Schrittes die Rosenstraße auf. Sie überquerte den Neuen Graben, ein stehendes Gewässer zwischen Alt- und Neustadt, in das viele Bürger ihre Exkremente schütteten und das darum zu einer regelrechten Kloake geworden war. Der Gestank dieses Gewässers verfolgte sie bis an ihr Ziel.
    Der Laden des Buchhändlers Hartiger erwies sich als enge, stickige Kammer, in der sich Dutzende Bücher, Drucke und Nachrichtenblätter in Kisten und Fässern stapelten oder in Regalen verstaut lagen. Hartiger selbst hockte an einem Pult inmitten dieser Papierhöhle und erkannte Anneke sofort wieder, als er sie bemerkte.
    »Schau an, die gute Frau, die hoffentlich ihren Ehemann überredet hat, seine Geldbörse für sie zu öffnen«, rief er und winkte sie zu sich heran. Anneke nickte und fragte sich, ob er ihre kleine Lüge längst durchschaut hatte. Im Grunde |99| war es ja nicht einmal eine richtige Lüge. Sie hatte nur ein wenig die Gegebenheiten verdreht. Immerhin hatte sie tatsächlich jemanden überredet, seine Geldbörse zu öffnen, auch wenn es sich nicht um einen Ehemann handelte.
    »Wundert Euch nicht über die Unordnung«, sagte Hartiger, während er in einem Bücherstapel wühlte. »Ich werde morgen in der Früh nach Fürstenau aufbrechen und muß am Abend meinen Wagen beladen. Da schaut es dann immer so aus.« Er zog eines der kleineren Bücher hervor und reichte es Anneke. »Dies guterhaltene Büchlein hatte es Euch angetan, wenn ich mich recht entsinne.«
    Annekes Blick fiel auf das Gebetbuch, das sie schon am Markttag in den Händen gehalten hatte. Sie nickte. »Der Preis beträgt fünf Schillinge?«
    »Könnt Ihr das bezahlen?«
    Anneke fischte die Münzen aus ihrer Schurztasche und zählte sie Hartiger einzeln in die Hand. Der schaute äußerst zufrieden aus und meinte: »Euer Mann muß Euch wirklich sehr in sein Herz geschlossen haben.«
    »Gewiß«, erwiderte Anneke, und es schauderte sie immer noch, wenn sie daran dachte, daß nicht ein großes Herz, sondern eine verwesende Leiche der Grund dafür war, daß sie nun dieses Buch besaß.
    Der Händler ließ die Münzen schnell in seiner Tasche verschwinden. »Kann ich sonst noch etwas für Euch tun? Habt Ihr Verwendung für Postpapier? Ich würde Euch zehn Bögen gutes Schreibpapier für nur zwei Groschen überlassen. Einen besseren Preis werdet Ihr in der Stadt kaum finden.«
    Anneke lehnte sein Angebot dankend ab, da sie nun keinen einzigen Pfennig mehr besaß, und verabschiedete sich. Als sie auf die Straße trat, betrachtete sie das Gebetbuch und überlegte, was sie nun damit tun sollte. Sie hatte das Buch gekauft, um damit die Wut der Monsbach-Wirtin zu |100| mildern, indem sie es ihr als Ersatz für das beschädigte Exemplar überließ. Andererseits hatte die Monsbacherin sie für dieses Vergehen aber doch auch schon mehr als angemessen abgestraft. Dieser Zorn würde bald verrauchen, und darum spielte Anneke

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