Die Falken Gottes
zugetraut hatte, daß sie sich wie ein Mädchen aus herrschaftlichem Haus mit Büchern beschäftigte.
|114| Ein Geräusch an der Tür ließ Anneke aufhorchen. Sie hörte Schritte und steckte das Buch schnell wieder ein. Magnus Ohlin trat unter den Türbalken. Anneke atmete auf. Endlich wurde sie erlöst und konnte zur Schenke zurückkehren.
Ohne Ebba oder seiner Frau Beachtung zu schenken, winkte Ohlin Anneke mit sich. »Komm«, sagte er nur und trat zur Treppe. Anneke folgte ihm hinauf in die Schreibstube, wo Ohlin die Tür hinter ihnen schloß. Er kam ihr sehr ernst und entschlossen vor.
»Wir werden nach Münster reisen«, sagte er. »Du und ich. Schon morgen.«
Anneke stutzte. »Ihr könnt nicht recht bei Trost sein, wenn Ihr glaubt, daß ich mich mit Euch nach Münster begebe.« Sie versuchte, die Worte überzeugend hervorzubringen, doch insgeheim versetzte Ohlins Aufforderung sie in helle Aufregung. Es war für sie schon ein Abenteuer, sich hier in Osnabrück aufzuhalten. Münster hatte sie noch nie besucht, und wenn es stimmte, daß die Stadt noch größer war als Osnabrück, würde diese Reise zu einem unvergeßlichen Erlebnis werden. Doch sie wollte es Ohlin nicht zu einfach machen, und darum verhielt sie sich zunächst störrisch und baute sich entrüstet vor ihm auf. »Meine Dienstherrin würde es niemals erlauben, daß ich mit einem Mann über Nacht fortbleibe.«
»Sie hat dir auch gestattet, daß du mich nach Osnabrück begleitest. Meine Geldbörse wird sie zu überzeugen wissen.« Ohlin nahm ihre Hand und sagte: »Anneke, ich erbitte deine Hilfe.«
Das waren Töne, die ihr gefielen. Auch wenn sie keinen blassen Schimmer besaß, wie sie ihm von Nutzen sein sollte.
»Ich wüßte nicht, wie ich Euch helfen kann«, meinte sie.
»Du bist die einzige, die das Gesicht des Mannes, der den |115| Boten im Wald getötet hat, erkennen würde. Ich bin davon überzeugt, daß dieser Kerl sich noch in Münster aufhält.«
»Das könnt Ihr doch nicht wissen.« Plötzlich fiel ihr das seltsame Papier ein, das Ohlin bei dem Toten gefunden hatte. »Ihr seid auf einen Hinweis in dem Brief gestoßen, den der Bote bei sich trug.«
Er nickte. »Und dieser Hinweis führt nach Münster.«
»Warum seid Ihr vorhin fortgegangen? Mit wem habt Ihr Euch besprochen?«
»Das braucht dich nicht zu interessieren«, wiegelte er ihre Neugier ab. »Es ist nur wichtig, daß du mich nach Münster begleitest.«
»Und die Frau, die Ihr erwähnt habt? Ihr sagtet, sie wäre in Euer Haus eingedrungen. Was hat das alles mit dem ermordeten Boten zu tun?«
»Ich weiß es nicht.« Ohlin hob die Schultern. »Aber genau das möchte ich in Münster herausfinden.«
Anneke schwieg kurz. Dann fragte sie: »Was wäre es Euch wert, wenn ich mit Euch reise?«
»Du verlangst einen Lohn von mir?«
»Einen Doppelschilling für jeden Tag, den ich an Eurer Seite verbringen muß.«
Es war eine unverschämte Forderung, die Ohlin nur ein abfälliges Brummen und ein Kopfschütteln entlockte. »Anneke, du bist gieriger als ein jüdischer Pfandleiher.«
»Dann werdet Ihr allein nach Münster reisen müssen«, erwiderte Anneke und überlegte sogleich, wie weit sie von ihrer Forderung abzurücken bereit war, wenn er stur blieb.
»Du sollst das Geld bekommen«, sagte er, ohne noch länger zu zaudern.
Anneke glaubte ihren Ohren kaum zu trauen und streckte rasch die Hand zu ihm aus. »Wenn das so ist, werde ich Euch begleiten.«
|116| Ohlin schlug ein und griente verkniffen. »Wenn ich bedenke, daß ich auch noch deine Dienstherrin entschädigen muß, fürchte ich, daß ich von dir in den Ruin getrieben werde.«
Sie begaben sich in die Küche, wo Ohlin seine Frau von der bevorstehenden Reise unterrichtete. Statt eine vernünftige Erklärung für seine Pläne vorzubringen, machte er nur vage Andeutungen über eine Person, die er in Münster mit Anneke aufsuchen wolle, und daß Anneke ihn begleiten müsse, weil er nur mit ihrer Hilfe die Spur zu der Frau verfolgen könne, die seine Schreibstube durchstöbert hatte. Svante Ohlin schien es nicht unbedingt zu kümmern, daß ihr Mann mehrere Tage mit einer fremden Frau in Münster verbringen würde. Sie nickte nur und zeigte die gleiche ausdruckslose Miene wie immer. Die einzige Person, die damit ein Problem zu haben schien, war Ebba, die Anneke einmal mehr mit neidvollen Blicken strafte.
»Laß uns noch einen Becher Wein trinken, bevor ich dich zur Monsbach-Schenke zurückbringe«, schlug Ohlin vor und wies
Weitere Kostenlose Bücher