Die Falken Gottes
»Ihr habt versprochen, mich heimzubringen. Als Ihr nicht zur vereinbarten Zeit am Stadttor erschienen seid, dachte ich mir, es wäre ratsam, Euch an diese Verpflichtung zu erinnern.«
Ohlin zupfte nachdenklich an seinem Kinnbart. »Ich kann dich jetzt nicht zur Schenke bringen. Du wirst noch ein wenig warten müssen. Ich habe ein dringendes Gespräch zu führen.«
»Ich will nicht länger warten.«
»Dir bleibt keine andere Wahl. Also vertreib dir noch ein wenig die Zeit in der Stadt.«
Er wollte sie aus der Tür schieben, doch Anneke weigerte sich. »Dann werde ich hier auf Euch warten.«
»Mißtraust du mir?«
|103| »Ja.«
Er schaute sie aus schmalen Augen an. »Du bist wahrlich eine Plage, Anneke.«
»Und wenn schon! Ihr habt mir Euer Wort gegeben. Ist Euch das nur einen Hundefurz wert?«
Ohlin kaute unentschlossen auf seiner Unterlippe, dann gab er sich endlich geschlagen und winkte sie zu sich. »Ich werde meiner Frau erklären müssen, wer du bist und was du mit mir zu schaffen hast«, flüsterte er. »Am einfachsten wird es sein, wenn ich Svante gegenüber behaupte, ich hätte dich beauftragt, mir Informationen über die Frau zu beschaffen, die vor zwei Tagen in dieses Haus eingedrungen ist.«
»Welche Frau denn?«
»Das braucht dich nicht zu interessieren. Sollten dir Svante oder Ebba Fragen stellen, sagst du einfach, ich hätte dir verboten, darüber zu sprechen.«
»Und wie lange werdet Ihr fort sein?«
»Vielleicht eine Stunde. Danach wird noch genügend Zeit sein, dich vor Sonnenuntergang nach Lengerich zu schaffen.«
Er brachte Anneke in die Küche, wo sie sich auf eine Bank setzte und die verstohlenen abschätzigen Blicke der Magd Ebba auf sich spürte.
Ohlin sprach mit seiner Frau auf der Diele, aber Anneke konnte nicht verstehen, welche Lügengeschichten er ihr auftischte. Kurz darauf hörte sie die Tür schlagen, und Svante Ohlin kehrte in die Küche zurück. Die beiden Frauen gingen schweigend ihrer gewohnten Arbeit nach. Einerseits war Anneke froh, daß sie hier niemandem Rede und Antwort stehen mußte, doch sie fühlte sich auch unwohl unter den Augen dieser beiden Frauen, und sie fragte sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, hier in dieser Küche auf Magnus Ohlin zu warten.
|105| Kapitel 10
In der Residenz seines Onkels an der Domsfreiheit traf Magnus nur den Legationssekretär Mylonius Biörenklou an, von dem er die Auskunft erhielt, daß Johan Adler Salvius eine Unterredung mit Johann Balthasar Schneider, dem Vertreter der elsässischen Städte, in der Löwenapotheke am Markt führe. Die Apotheke wurde von den Gesandten des Friedenskongresses sehr häufig als Herberge, Versammlungsort oder als geselliger Treffpunkt in Anspruch genommen. Es war kein Geheimnis, daß der Apotheker Heinrich Ameldung nicht nur gängige Arzneimittel vertrieb, sondern auch einen hervorragenden Aquavit brannte und dazu einen feurigen Malvasier ausschenkte, der zahlreiche Freunde unter den Kongreßteilnehmern gefunden hatte.
Magnus wollte nicht unverrichteter Dinge heimkehren, also lief er zum Marktplatz und betrat die Apotheke. Hinter dem breiten Verkaufstresen der Offizin schaute der kahlköpfige Apotheker Ameldung auf, der damit beschäftigt war, einen Stoß Salbentöpfe aus Keramik zu putzen.
»Ah, der werte Herr Ohlin.« Ameldung legte seine Arbeit beiseite und kam hinter dem Tresen hervor. »Wie kann ich Euch helfen? Seid Ihr auf der Suche nach einem Elixier für Euren empfindlichen Magen, nach einem süffigen Rheinwein oder eher nach einem der Duftwässerchen, die den Geist der Frauen betören.«
»Weder noch«, erwiderte Magnus. Da er häufig die Dienste des Apothekers in Anspruch nahm, wußte Ameldung inzwischen genau, wonach es ihn für gewöhnlich verlangte. »Ich bin hier, um mit dem Gesandten Salvius zu sprechen.«
|106| Ameldung deutete mit einem Finger nach oben. »Seine Exzellenz führt ein vertrauliches Gespräch mit dem Vertreter der elsässischen Städte. Ihr werdet warten müssen, bis einer von beiden den Raum verläßt.«
Magnus nickte und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Eine Zeitlang wanderte er in der Offizin auf und ab, betrachtete die bronzenen Mörser und Stößel auf den Regalen und die bauchigen Gläser, die mit lateinischen Bezeichnungen von Kräutern, Pulvern und verschiedenen Arzneien etikettiert worden waren. Heinrich Ameldung wandte sich unterdessen wieder seinen Salbentöpfen zu und arbeitete schweigend weiter.
Glücklicherweise dauerte es
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