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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Ebba an: »Schenk uns von dem Malvasier ein.«
    Ebba brummte mürrisch, holte eine Korbflasche aus einem Regal hervor und schenkte den Wein in die Becher ein, die Svante Ohlin auf den Tisch gestellt hatte.
    »Wie werden wir reisen?« fragte Anneke.
    »Ich lasse die Kutsche anspannen.« Magnus hob den Becher zum Mund und nahm einen Schluck. »Halte dich morgen in der Früh bereit. Ich werde bald nach Sonnenaufgang in Lengerich eintreffen.«
    Auch Anneke führte den Becher an ihre Lippen, doch Ohlins Gesichtsausdruck ließ sie innehalten.
    Er wirkte verstört, runzelte die Stirn und schnupperte an dem Wein.
    »Diese fremde Frau – habt ihr sie hier allein in der Küche |117| gelassen?« Seine Stimme klang so gepreßt, als schnüre ihm etwas die Kehle zu.
    »Ja, für eine kurze Zeit war sie hier allein«, antwortete Ebba.
    Noch einmal roch er an seinem Wein. Auf Ohlins Stirn glänzten Schweißtropfen, und seine Hand zitterte. Anneke stellte ihren Becher zurück auf den Tisch und verfolgte erschrocken, wie Ohlin sich plötzlich krümmte. Der Becher fiel aus seiner Hand, und der Wein ergoß sich über den Tisch und tropfte zu Boden.
    »Schafft einen Arzt herbei«, krächzte Ohlin. »Schnell!« Seine Frau eilte auf ihn zu und fing ihn auf, bevor er von seinem Stuhl rutschte. Anneke erhob sich und schaute in sein verzerrtes Gesicht. Er preßte die Hand auf seine Kehle und würgte elendig.
    »O nein, nein!« rief Svante Ohlin laut und klammerte sich noch fester an ihn. Dann wandte sie sich zu Ebba um und drängte: »Nun lauf schon!«
    Endlich löste sich Ebba aus ihrer Starre und machte sich auf, den Arzt zu holen.
    Anneke schaute erschrocken auf ihren Becher. Sie hatte noch nicht von dem Wein getrunken, und ihr Zögern hatte sie womöglich vor Schaden bewahrt.
    Ohlin rang keuchend um Atem. Als er den Mund öffnete, konnte Anneke erkennen, daß seine Zunge geschwollen war. Er wand sich vor Schmerzen, zuckte heftig, und sein Blick irrte flackernd ins Leere.
    Er schien dem Tod nahe zu sein.

|119| Kapitel 12
    Ein stechender Schmerz jagte Ove Dahlgrens Rücken hinauf, als er sich streckte, um sein Kreuz mit einer kühlenden Salbe aus Pferdefett einzureiben. Dahlgren hatte die Strecke von Stralsund nach Osnabrück in gerade einmal drei Tagen zurückgelegt, aber nun bezahlte er seine Hast damit, daß ihm jeder einzelne Knochen im Körper weh tat. Vor einigen Jahren, als er noch Soldat gewesen war, hätte ihm eine solche Anstrengung kaum zu schaffen gemacht, doch nun, in einem Alter, in dem seine Haare bereits die ersten grauen Stellen aufwiesen, mußte er sich eingestehen, daß ihm ein eiliger Ritt über mehrere Stunden auf der holprigen Straße stärker zusetzte, als er befürchtet hatte.
    Dahlgren war in einer schlichten Herberge in der Osnabrücker Neustadt untergekommen. Nachdem er sein Pferd im angrenzenden Stall untergebracht und mit frischem Hafer versorgt hatte, hatte er sich in seine Kammer zurückgezogen, wo er aus einem schmalen Fenster einen Blick über die Stadt werfen konnte, die allmählich von der Dämmerung eingehüllt wurde. In der Ferne machte er am Stadtrand eine Zitadelle aus. Auch hier in Osnabrück waren die Stadtoberen offensichtlich davon überzeugt, daß solch steinerne Bollwerke Schutz vor feindlichen Truppen oder dem Zorn der eigenen Bürgerschaft bieten konnten. Niemand wollte begreifen, daß dies ein lächerlicher Irrglaube war. Dahlgren schaute auf seine Finger. Schon eine einzige Hand – ein entschlossener Wille – konnte über das Schicksal eines ganzen Volkes entscheiden.
    Dahlgren hatte sich noch nie zuvor in Osnabrück aufgehalten, |120| und es gab nichts, was ihn an der Stadt beeindrucken konnte. Alles in allem war dies ein recht provinzieller Ort, in dem die Stadtoberen wohl bemüht waren, durch den Friedenskongreß, der hier abgehalten wurde, den Eindruck zu erwecken, Osnabrück käme einer europäischen Metropole gleich. Doch so wie ein Bauer, den man in einen seidenen Umhang kleidete, trotzdem ein Bauer blieb, so konnte sich auch Osnabrück nicht allein durch die Anwesenheit der Gesandten mit den schillernden Zentren Europas messen.
    Ein Klopfen riß Dahlgren aus seinen Gedanken. Er stellte den Salbentopf auf den Tisch, zog sich ein Hemd über und öffnete die Tür.
    Die Botschaft, die er direkt nach seiner Ankunft an sie abgeschickt hatte, war also angekommen. Er hatte gehofft, daß sie seiner Bitte, ihn hier in der Herberge aufzusuchen, nachkommen würde, und doch war er erleichtert,

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