Die Falken Gottes
recht davon überzeugt, daß Anneke auf die eine oder andere Art Unzucht mit diesem fremden schwedischen Herrn getrieben hatte. Zunächst war sie aber nur mit einer lautstarken Strafpredigt bedacht worden.
»Ich kenne die Dämonen, die euch Mädchen umtreiben«, hatte Lucia Monsbach ihr vorgehalten, begleitet von einem strengen Blick aus verkniffenen Augen. »Die sündige Lust |124| kriecht euch die Schenkel hinauf und pflanzt sich in euch wie ein Fieber. Kaum juckt es euch zwischen den Beinen, laßt ihr euch allzu bereitwillig von den Männern betören. Gott hat die Weiber schwach erschaffen. Er stellt sie fortwährend auf die Probe, und nur die wenigsten sind in der Lage, den Verlockungen des Fleisches zu widerstehen.«
Es kommt mir vor, als spräche sie über Seybert, hatte Anneke gedacht, und sie hatte sich gefragt, ob Lucia Monsbach sie vor dem wohligen Kribbeln warnte, das sie beizeiten in der Nacht heimsuchte, wenn ihr lustvolle Gedanken in den Kopf stiegen. Manchmal hatte Anneke sich dann vorgestellt, wie es wäre, bei einem Mann zu liegen. Doch auch wenn diese Gedanken ihr Blut in einigen Nächten so sehr in Wallung gebracht hatten, daß sie kaum in den Schlaf gefunden hatte, wäre sie doch niemals auf die Idee gekommen, sich einem Fremden an den Hals zu werfen. Schon gar nicht diesem Magnus Ohlin.
Auch wenn die Monsbacherin darauf verzichtet hatte, sie mit Stockhieben abzustrafen, wollte sie doch dafür Sorge tragen, daß Anneke von den sündigen Gelüsten, die ihre Seele vergifteten, befreit wurde. Und diese Schwäche, so wurde Anneke schnell klar, gedachte die Wirtin mit harter Arbeit zu heilen, als wäre sie davon überzeugt, daß sich die Sünde mit dem Schweiß aus dem Körper treiben ließ.
Vielleicht hätte Anneke den Zorn ihrer Dienstherrin mildern können, wenn sie ihr das Gebetbuch überlassen hätte, das sie in Osnabrück gekauft hatte. Doch während ihres Fußmarsches in der Nacht hatte Anneke lange darüber gegrübelt, ob sie das Buch wirklich aus den Händen geben sollte, und mit jedem Schritt hatte sich ihr Entschluß gefestigt, daß sie es für sich behalten wollte, da sie ohnehin eine Strafe erwarten würde.
Fünf Tage lang hatte die Monsbacherin Anneke zum alten Steinweg geschickt, wo sie nun die Arbeit verrichtete, |125| mit der sich zuvor der weitaus kräftigere Knecht Wendel abgeplagt hatte. Sie hatte die Steine aus der Erde gestemmt, sie in eine Holzkarre geladen und um das Hauptgebäude herum zum Stall geschoben, wo im Herbst eine neue Mauer errichtet werden sollte. Die Arbeit war kräfteraubend. Ihr Schweiß floß in Strömen, doch Anneke zweifelte daran, daß diese Schinderei für ihr Seelenheil von Nutzen sein würde. Schon am Abend des ersten Tages waren ihre Hände zerschrammt, und mehrere Blasen hatten sich auf der Haut gebildet. Anneke hatte ihre Arbeit erst nach Sonnenuntergang einstellen dürfen, und sie war nach der Plackerei des ersten Tages zu geschafft, um ihre Abendmahlzeit einzunehmen. Sie hatte nur schlafen wollen, doch Lene hatte sie bedrängt, ihr zu erzählen, was am Tag zuvor vorgefallen war. Also hatte Anneke ihr mit matter Stimme berichtet, daß Magnus Ohlin die Leiche im Wald durchsucht und einen Brief gefunden hatte. Sie erzählte Lene davon, wie sie mit Ohlin nach Osnabrück geritten war und daß der Schwede später in seiner Küche zusammengebrochen war, weil jemand seinen Wein vergiftet hatte.
»Ist er denn gestorben?« hatte Lene wissen wollen.
»Ich weiß es nicht«, war Annekes Antwort gewesen. »Wir trugen ihn in seine Schlafkammer und legten ihn auf das Bett, während seine Frau an seiner Seite Gebete sprach und die Magd Ebba ein kleines Holzkreuz über ihn schwenkte. Als der Arzt eintraf, verabreichte er Ohlin ein Pulver, woraufhin der sich sofort erbrach. Danach zitterte Ohlin noch heftiger und jaulte wie ein geprügelter Hund. Ich konnte das nicht länger mitansehen und bin davongelaufen. Ich wußte, daß sich der Fußmarsch nach Lengerich bis in die Nacht hinziehen würde, aber was sollte ich tun?«
Sie hatte Lene allerdings verschwiegen, daß sie vor allem deshalb Ohlins Haus verlassen hatte, weil Ebba sie die ganze Zeit über mit einem solch vorwurfsvollen Blick |126| fixiert hatte, als wäre sie fest davon überzeugt gewesen, daß Anneke für das Gift in Ohlins Wein verantwortlich sei. Anneke hatte befürchtet, daß die schwedische Magd diese Beschuldigung laut aussprechen und man sie daraufhin festhalten würde. Die Vorstellung, die
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