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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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sie nach all den Jahren wirklich vor sich zu sehen. Ihre Augen leuchteten erwartungsvoll, und einen Moment lang standen sie sich nur stumm gegenüber und schauten sich an.
    Sein Gefolge war geschrumpft. Die »Falken Gottes«, deren Namen er wegen seines immer wiederkehrenden Traums gewählt hatte, zählte kaum noch drei Dutzend Anhänger. Aber Dahlgren wußte, daß er sich auf die Menschen verlassen konnte, die wie er fest davon überzeugt waren, daß Gott sie erwählt hatte, um seinen Willen und sein Wort gegen die Blasphemie des Adels und des Klerus zu verteidigen.
    Nachdem die meisten von ihnen verfolgt und getötet worden waren, hatte die Obrigkeit angenommen, die »Falken Gottes« zerschlagen zu haben. Doch so wie aus einem einzigen Samen ein mächtiger Baum erwachsen konnte, dessen Äste bis zum Himmel ragten, würde auch er mit wenigen Getreuen wie dieser Frau oder Kjell Ekholm, mit dem |121| er schon auf dem deutschen Feldzug gemeinsam gekämpft hatte, sein Ziel erreichen und das Opfer einfordern, mit dem er verhinderte, daß Gottes Werk besudelt wurde.
    »Komm herein«, bat er sie.
    Sie huschte in die Kammer, und er drückte die Tür zu. Dahlgren streichelte über ihr blondes Haar. Sie nahm seine Hand und küßte demütig jede einzelne Fingerkuppe.
    »Meine Sonne.« Er benutzte den Kosenamen, den er ihr gegeben hatte, als sie noch seine Schülerin gewesen war. Schon damals hatte sie ihn wie einen Heiligen verehrt. Doch es gab keinen Grund, warum sie sich ihm zu unterwerfen hatte, und darum zog er seine Hand zurück.
    »Hat Kjell Ekholm dich aufgesucht?« fragte er sie.
    Sie nickte. »Er hat mir berichtet, aus welchem Grund Ihr nach Deutschland gekommen seid. Ist es wahr, daß sich der Gast auf dem Weg nach Münster befindet?«
    »Ich befürchte es.« Er setzte sich auf einen Stuhl. »Wann hat Ekholm Osnabrück verlassen?«
    »Vor sieben Tagen.«
    »Gut.« Dahlgren streckte sich und spürte wieder die stechenden Schmerzen in seiner Wirbelsäule. »Dann ist Ekholm also bereits in Münster eingetroffen.«
    Er sah ihr an, daß da etwas war, das ihr Sorgen bereitete. »Was bedrückt dich?« wollte er wissen.
    Sie biß kurz auf ihre Unterlippe, dann sagte sie: »Magnus Ohlin hat von dem Gast erfahren. Er hat keine Ahnung, um wen es sich dabei handelt, aber er hatte vor, nach Münster zu reisen, um Vigan aufzusuchen.«
    Einen Moment lang verschlug ihm der Ärger die Sprache, dann rief er wütend: »Wie konnte das geschehen?«
    »Ich weiß es nicht, aber ich kann Euch versichern, daß er unseren heiligen Auftrag nicht mehr gefährden wird.«
    »Warum?«
    Sie trat näher, nahm den Tiegel mit dem Pferdefett an sich |122| und roch daran. »Ich habe Schierling in seinen Wein gefüllt.«
    »Das könnte ihn umbringen.«
    »Ich weiß.« Sie zog Dahlgren das Hemd aus, schmierte ihre Hand mit dem Fett ein und massierte seine Schultern. »Wann werdet Ihr aufbrechen?« fragte sie.
    Dahlgren beugte sich vor, so daß sie seinen gesamten Rücken einreiben konnte. »Morgen früh. Der Gast wird bald im Kolleg eintreffen. Ich werde vor ihm Münster erreichen.«
    »Und Ihr werdet diesen Verrat mit dem Tode abstrafen«, meinte sie. »Gott hat Euch zum Richter bestimmt.« Ihre Finger ruhten auf seinem Nacken. Dahlgren schloß die Augen und genoß die Wärme, die sich unter ihrer Hand ausbreitete.

|123| Kapitel 13
    Müde und ausgelaugt trat Anneke von der Schenke zum Stall. In der Hand hielt sie eine zweizinkige Forke. Der Gedanke daran, daß sie bis Sonnenuntergang stinkenden Kuhmist schaufeln mußte, hatte ihr schon beim Aufstehen die Laune verdorben. Es war noch früher Morgen, doch schon kündigte sich ein warmer Tag an, der Schwärme von Fliegen in den Stall locken würde.
    Anneke seufzte. Fünf Tage waren seit ihrer Rückkehr aus Osnabrück vergangen. Und fünf Tage lang hatte sie härtere Arbeiten verrichtet als jemals in ihrem Leben zuvor.
    Aber durfte sie sich beklagen? Sie hatte gegen die Abmachung der Monsbacherin verstoßen, war nach ihrem Fußmarsch erst spät in der Nacht aus Osnabrück heimgekehrt und hatte sich die letzten Stunden bis zum Morgengrauen in eine Ecke des Hinterhofes gekauert, da alle Türen der Schankwirtschaft verschlossen gewesen waren.
    Sie hatte befürchtet, Lucia Monsbach würde sie für diese Verfehlung wieder einmal mit schmerzhaften Stockhieben bestrafen, da Anneke ihr keine Erklärung geben wollte, warum sie erst in der Nacht heimgekehrt war. Dieses Verhalten hatte ihre Dienstherrin wohl erst

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