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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Büttel würden sie in den Bucksturm oder in den Bürgergehorsam sperren und einem Verhör unterziehen, um ihr ein Geständnis abzupressen, hatte ihr Angst gemacht. Darum hatte sie sich davongestohlen und Osnabrück verlassen, bevor sich die Stadttore schlossen. Den ganzen langen Weg hatten sie die Bilder von Magnus Ohlins schmerzverzerrtem Gesicht verfolgt, seine weitaufgerissenen Augen, die verfärbten Lippen und das Stöhnen, als er sich auf dem Bett gekrümmt hatte.
    Die folgenden Tage hatte sie wieder von früh bis spät an der Steinkarre geschuftet, bis ihr alle Knochen im Leib schmerzten. Zu allem Überfluß hatte Wendel sich des öfteren einen Spaß daraus gemacht, sich mit einem Krug Bier in ihre Nähe zu stellen und sie grinsend bei der Arbeit zu beobachten. Anscheinend hatte er erfahren, daß die Monsbacherin mit dieser Strafe Annekes körperlichen Gelüsten entgegenzuwirken suchte, denn mehrmals faßte er sich provozierend zwischen die Beine und meinte, er wüßte einen besseren Weg als diese üble Plackerei, um Anneke wieder einen klaren Kopf zu verschaffen. Erst als Anneke wie zufällig ein schwerer Stein aus den Händen rutschte und auf seinen Fuß fiel, entfernte er sich schimpfend und hielt von ihr Abstand. Ab und an tauchte Lene auf und brachte ihr Wasser, doch sobald die Monsbacherin es mitbekam, daß Anneke eine kurze Pause einlegte, wurde sie auch schon wieder zurück an die Arbeit geschickt. Seybert hingegen schenkte ihr kaum Beachtung, und Anneke fragte sich, ob er es ihr vielleicht übelnahm, daß sie sich diesem schwedischen Herrn scheinbar ohne weiteres an den Hals geworfen |127| hatte, während sie sich ihm gegenüber stets geziert hatte.
    Nach fünf Tagen hatte sie dann endlich alle Steine säuberlich neben dem Stall aufgeschichtet. Als Anneke an diesem Morgen geweckt worden war, hatte sie sich so zerschunden gefühlt, daß sie kaum auf die Füße kam. Doch Lucia Monsbach zeigte sich unerbittlich. Sie dachte nicht daran, ihre Magd zu schonen, und trug ihr die nächste schwere Arbeit auf. So begab sich Anneke also in den Kuhstall und schaufelte mit müden Armen den schweren Kuhmist in eine Karre, die Wendel dann zum Dunghaufen schob. Der Gestank lockte wie erwartet unzählige Fliegen an, die surrend Annekes Kopf umkreisten. Sie war niemals zimperlich gewesen, was die Arbeit im Stall betraf, doch nach der Schufterei der vergangenen Tage und der Hitze, die den Dunst der Fäkalien fast unerträglich machte, befürchtete Anneke, daß sie schon bald vor Anstrengung hier im Kuhmist zusammenbrechen würde.
    Irgendwann lehnte sie sich gegen eine Kuh, und ihr fielen erschöpft die Augen zu. Sie mußte an das Gebetbuch denken, das sie in ihrer Kammer versteckt hatte. Zumindest das war ein kleiner Lohn für ihre Mühen. Anneke hoffte inständig, die Monsbach-Wirtin würde ihr zumindest am morgigen Sonntag ein wenig Ruhe gönnen.
    Ruhe … einfach nur schlafen …
    Schlafen …
    Ihr Kopf wurde schwer und sank herab. Von draußen drang das Poltern einer Kutsche an ihr Ohr. Wahrscheinlich trafen neue Herbergsgäste ein, doch die waren Anneke völlig egal. Sie wollte nur für einen Moment die Augen schließen.
    Aus dieser Schläfrigkeit wurde sie jäh gerissen, als jemand ihr rüde gegen das Bein trat. Sie schlug die Augen auf und sah Wendel vor sich stehen.
    |128| »Bist nicht hier, um zu dösen«, schimpfte der Knecht und schleuderte mit der Fußspitze schmutziges Stroh gegen ihre Beine.
    Wütend preßte Anneke ihre Hände um den Griff der Forke.
    »Träumst wohl von diesem feinen Herrn und davon, was du mit ihm im Wald getrieben hast«, spottete Wendel und spuckte verächtlich aus.
    »Dieser feine Herr schert mich einen Dreck«, verteidigte sich Anneke. Es reizte sie, Wendel die Häme mit einer Handvoll Kuhmist aus dem Gesicht zu reiben, doch bevor sie diesen Gedanken in die Tat umsetzen konnte, zog eine vertraute Stimme ihre Aufmerksamkeit auf sich.
    »Einen Dreck also … das sind betrübliche Worte, die ich da vernehmen muß.«
    Anneke ließ vor Schreck die Forke aus den Händen fallen, als sie Magnus Ohlin in der Stalltür stehen sah. Sein Gesicht war blaß, die Wangen wirkten ausgezehrt, und Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Als er seiner Bemerkung jedoch ein gequältes Lächeln folgen ließ, war ihr klar, daß dies keine Erscheinung sein konnte. Ohlin lebte.
    »Herr Ohlin«, sagte sie ungläubig.
    Der Schwede wandte sich an Wendel. »Laß uns allein, Bursche.«
    Wendel schien nicht recht zu

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