Die Falken Gottes
nicht bereit, mit Euch darüber zu sprechen. Verlaßt das Kolleg!« Vigans Gesicht wirkte bleich, und seine Stimme zitterte ein wenig.
»Es interessiert mich nicht, wer dieser geheimnisvolle Gast sein mag, den Ihr erwartet«, erwiderte Magnus. »Aber bevor der Bote dieser Nachricht starb, nannte er jemandem meinen Namen, und kurz darauf flößte man mir Gift ein, um mich aus dem Weg zu schaffen. Ich brauche Klarheit. Welche Verbindung besteht zwischen mir und diesen Vorgängen?«
»Was sagt Ihr da?« stutzte Vigan. »Der Bote ist tot?«
|153| »Ich fand diese Nachricht bei seiner Leiche. Er wurde vor fünfzehn Tagen etwa drei Meilen von Osnabrück entfernt ermordet. Und ich befürchte, jemand hat ihm ein wichtiges Dokument entwendet, das womöglich an Euch gerichtet war, Pater.«
»Das kann nicht sein.« Vigans Augen verrieten das Unbehagen, das Magnus ihm bereitete. »Die Depesche, von der Ihr sprecht, ist wie erwartet hier eingetroffen.«
»Ihr seid dem Boten begegnet? Handelte es sich bei ihm um einen kräftigen Kerl mit einer auffällig schiefen Nase? Vielleicht wißt Ihr, ob er sich noch in Münster aufhält.«
Vigan musterte Magnus kurz und schien abzuwägen, ob er ihm trauen konnte. Dann seufzte er vernehmlich und sagte: »Der Mann, den Ihr da beschreibt …«
»Was ist mit ihm?«
»Er befindet sich hier im Kolleg.«
|155| Kapitel 16
Im Refektorium war es still bis auf die Unterhaltung, die drei Scholaren am Nebentisch führten. Anneke spitzte die Ohren, um einige Wortfetzen des Gespräches aufzuschnappen. Die Männer redeten mit gedämpften Stimmen über Begriffe wie Grammatik, Rhetorik und Poetik, dazu fielen Namen wie Cicero, Seneca und Quintilius. Anneke besaß keinen blassen Schimmer, was das alles bedeuten mochte. Während sie ihre von der Arbeit zerschundenen Hände betrachtete, beneidete sie diese jungen Burschen darum, daß deren einzige Aufgabe darin bestand, sich möglichst viel Wissen anzueignen. Sie selbst machte es schon stolz, daß sie in der Lage war, in einem Buch zu lesen und die Buchstaben des Alphabets niederzuschreiben. Gleichwohl war ihr klar, daß eine Unmenge an Wissen auf dieser Welt existierte, das einer einfachen Magd wie ihr für immer verschlossen bleiben würde.
Hin und wieder bemerkte sie, daß die Scholaren verstohlene Blicke in ihre Richtung warfen. War es so selten, daß sich eine Frau in diesem Refektorium aufhielt? Anscheinend nicht, denn nun vernahm sie ein lautes Lachen. Aus dem Nebenraum, in dem sich wahrscheinlich die Küche befand, traten fünf Weiber, die Leinensäcke trugen. Es handelte sich wohl um Lohnarbeiterinnen, die sich um die Wäsche der Jesuitenbrüder kümmerten. Die Frauen verließen das Refektorium, und ihnen folgte ein korpulenter Mann, der auf Anneke zukam. Er stellte einen Krug Bier sowie einen Teller mit Schwarzbrot und einen kleinen Tiegel mit Schmalz vor ihr auf dem Tisch ab.
|156| »Ich bin Josef, der Küchenmeister«, stellte er sich vor, als Anneke ihn fragend anschaute. »Mit ist zu Ohren gekommen, daß Ihr aus Osnabrück angereist seid. Ihr müßt gewiß hungrig und durstig sein.« Er setzte sich ihr gegenüber.
Anneke dankte ihm und trank von dem Dünnbier.
»Kostet das Brot!« meinte der Küchenmeister. »Unser gutes Pumpernickel hat schon vielen Reisenden Kraft geschenkt.«
Sie brach eine Ecke von der Scheibe ab und rieb damit durch das Schmalz. Das Brot war sehr fest gebacken und schwarz wie eine Krähenfeder, aber der kräftige Geschmack sagte ihr durchaus zu.
»Dieser Schwede, der Euch begleitet – ist das Euer Ehemann?« wollte Josef wissen.
Anneke schüttelte den Kopf und überlegte, ob sie dem Mann erklären sollte, warum sie sich in Ohlins Gesellschaft befand. »Ich bin nur seine Magd«, sagte sie schließlich.
»Der edle Herr reist mit seiner Magd nach Münster.« Der Küchenmeister grinste schief, und Anneke konnte seinem belustigten Tonfall entnehmen, welche Gedanken er verfolgte. Warum nur glaubte jeder Mensch, daß sie und Ohlin ein Liebespaar waren? Die Monsbacherin, die Magd Ebba oder dieser Küchenmeister – sie alle waren anscheinend fest davon überzeugt, daß sie mit Magnus Ohlin das Bett teilen wollte.
»So ist es«, erwiderte sie kurzangebunden.
»Und nun spricht er mit Pater Gregor.«
Anneke schluckte das Schwarzbrot hinunter, nahm noch einen Schluck Bier zu sich und fragte, nachdem sie sich mit dem Handrücken den Mund abgewischt hatte: »Kennt Ihr ihn gut, diesen Pater Gregor?«
Der
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