Die Falken Gottes
neben dem Toten kniete und dessen Wamstaschen durchsuchte.
»Es ist keine Spur von Dahlgren zu entdecken«, sagte Malin Sörenstam. »Weder von ihm noch von seinem Pferd. Ihr sagt, Euer Schuß habe ihn getroffen?«
Magnus nickte.
»Vermutlich hat er sich in ein Gebüsch geschleppt und verblutet dort.« Malin Sörenstam betrachtete Ekholms Leiche. Aus der geplatzten Bauchdecke quoll das Gedärm hervor, das sich, begleitet von üblen Gerüchen, neben dem Toten ausbreitete.
»Was machen wir mit dem Kerl?« fragte Magnus.
|227| Malin Sörenstam rümpfte angewidert die Nase. »Mit uns nehmen können wir die Leiche in diesem Zustand nicht. Er würde uns womöglich auseinanderreißen. Laßt ihn uns an den Straßenrand schleppen.«
»Zuvor sollten wir seinen Mantel, sein Wams und die Stiefel an uns nehmen«, meinte Magnus.
»Warum wollt Ihr Euch die Mühe machen und Eure Finger an diesen stinkenden Eingeweiden beschmutzen?«
»Ich werde jede Tasche und jeden Saum seiner Kleidung überprüfen, bevor uns womöglich weitere Hinweise auf die Absichten dieses Mannes entgehen.« Magnus machte sich daran, Ekholm die Stiefel auszuziehen, dann streifte er den Mantel und das Wams ab. Malin Sörenstam verzichtete darauf, ihm zur Hand zu gehen. Sie betrachtete ihn nur stumm und schien wenig davon angetan zu sein, daß er weiter nach diesen Hinweisen suchte.
Gemeinsam schleppten sie die malträtierte Leiche zum Waldrand und liefen zur Kutsche zurück. Magnus musterte Malin Sörenstam mit flüchtigen Blicken. Ihr Verhalten war ein Rätsel für ihn. Sie hatte ihm während des Kampfes auf der Kutsche zweifellos das Leben gerettet, dennoch fiel es ihm schwer, ihr dafür seinen Dank auszusprechen. Es ärgerte ihn noch immer, daß sie Kjell Ekholm getötet hatte, bevor der ihm hatte sagen können, aus welchem Grund Königin Christina verfolgt wurde. Der Mann hatte von einem Verrat gesprochen – einem Verrat, den Christina begehen würde.
Je länger Magnus über diese Dinge grübelte, desto mehr schien es ihm, als schütze Malin Sörenstam nicht nur die Königin, sondern vor allem das Geheimnis, das Christina umgab.
Das Geräusch drang wie aus weiter Ferne zu ihm. Ein Rascheln entführte ihn aus der Dunkelheit. Ove Dahlgren sträubte sich dagegen, ins Licht zurückzukehren. Er wollte |228| die Augen geschlossen halten und dem Wind lauschen, den Stimmen der Vögel und seinem eigenen Atem. Erst als etwas Hartes über sein Gesicht kratzte, zuckte Dahlgren zusammen und richtete sich ein Stück auf. Ein greller Schmerz zwang ihn zurück. Er versuchte, die Pein herauszuschreien, doch seine Stimme blieb tonlos. Alles um ihn herum drehte sich, und die Welt entschwand abermals.
Als er erneut aufwachte und die Augen aufschlug, stand die Sonne bereits hoch am Himmel und hatte den Zenit wohl schon überschritten. Dahlgren erinnerte sich an die schrecklichen Schmerzen und richtete sich nun sehr viel vorsichtiger auf. Aus den Augenwinkeln sah er, wie ein Fuchs davonlief. Von seiner linken Schulter ausgehend raubte ihm ein Schmerz fast die Besinnung. Es fühlte sich an, als habe ein Wolf seine Zähne dort tief in das Fleisch gegraben. Er drehte langsam den Kopf und erkannte, daß der Mantelstoff zerfetzt und blutbesudelt war. Ein Geschoß hatte seine Schulter durchschlagen. Der Geruch verbrannten Fleisches stieg in seine Nase. Zunächst wußte er nicht, wo er sich befand und was ihn in diese hilflose Lage gebracht hatte. Dann aber erinnerte er sich daran, daß er die Kutsche verfolgt und daß jemand auf ihn geschossen hatte. Er war vom Pferd gestürzt und anschließend von der Straße in das Unterholz getaumelt, wo er zwischen Brombeergrün und Schlehendorn zusammengebrochen war.
Dahlgren blieb noch eine Weile auf dem Waldboden liegen, atmete tief ein und aus und versuchte seine Kräfte zu sammeln. Dann richtete er sich auf und zog sich mit dem unverletzten Arm an einem Ast auf die Beine. Er stand erstaunlich sicher, obwohl die Schmerzen, die dieser Bewegung folgten, Sterne vor seinen Augen tanzen ließen.
Die Straße lag nicht weit entfernt. Dahlgren setzte vorsichtig seine Schritte, immer darauf bedacht, sich einen Halt zwischen den Bäumen zu suchen.
|229| Als er die Straße erreichte, stellte er zu seiner Überraschung fest, daß sein Pferd auf der gegenüberliegenden Seite friedlich graste. Dahlgren stolperte auf den Falben zu und setzte einen Fuß auf den Steigbügel. Es brauchte mehrere Versuche, bis es ihm gelang, sich hochzustemmen.
Weitere Kostenlose Bücher