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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Er ignorierte den Schmerz, bis er im Sattel saß. Kraftlos und keuchend führte er das Pferd zurück auf die Straße. Die Kutsche war verschwunden, aber Dahlgren entdeckte auf dem Boden einen breiten Blutfleck. Von dieser Lache aus reichte eine Spur bis an den Waldrand. Offensichtlich hatte jemand einen blutenden Körper über den Boden geschleift. Er folgte dieser Spur und stieß auf Kjell Ekholms Leiche. Sein treuer Begleiter bot einen gräßlichen Anblick. Man hatte ihm bis auf das Hemd und die Hose die Kleidung ausgezogen. Seine Kehle war durchtrennt worden, und von den Rippen bis zu den Knien war sein Körper so zerquetscht, als wäre er zwischen zwei Mühlsteine geraten. Ekholms tote Augen stierten in die Baumkronen.
    Dahlgren wandte sich von der Leiche ab. Nun war er also auf sich allein gestellt. Seine Hand fuhr unter das Wams, dorthin, wo noch immer der Dolch der Falken steckte. Trotz seiner Verletzung war er nicht gewillt, sein Ziel aus den Augen zu verlieren. Solange Gott ihn am Leben erhielt, würde er nichts unversucht lassen, die Königin zu finden.
    Er schaute zur Straße. In welche Richtung mochte die Kutsche gefahren sein? War sie nach Münster zurückgekehrt, oder hatte sie den Weg nach Osnabrück fortgesetzt?
    Dahlgren schloß die Augen und suchte nach einer Eingebung – ein Gefühl oder eine Stimme, die ihm den Weg weisen würde. Alles blieb stumm. Er seufzte, trat dem Pferd in die Rippen und trabte auf den Ort zu, wo er die Königin am ehesten vermutete und wo er zudem Hilfe finden würde.
    Osnabrück.

|231| Kapitel 23
    Anneke konnte es nicht fassen, daß Königin Christina eingeschlafen war. Gewiß, sie alle hatten in der vergangenen Nacht kein Auge zugetan, doch Anneke fühlte sich nach der Flucht aus dem Kolleg und dem Angriff auf die Kutsche noch immer so aufgewühlt und angespannt, daß es für sie völlig unmöglich war, auch nur kurz in das Reich der Träume zu entschwinden.
    Sie beugte sich zu Christina und hörte sie leise schnarchen. Das ständige Ruckeln der Kutsche schien ihren Schlaf nicht zu stören. Auch wenn ihr Kopf immer wieder von der einen zur anderen Seite geworfen wurde, schnaubte sie geräuschvoll in einem gleichmäßigen Takt. Anneke bewunderte die Gelassenheit der Königin. Vor allem der Blick zur gegenüberliegenden Sitzbank, auf die Ohlin und Malin Sörenstam den toten Kutscher Karl gehievt hatten, sorgte dafür, daß ihr ein unangenehmer Schauer nach dem anderen über die Haut lief.
    Die Leiche war halb auf die Seite gesunken. Ein Arm hing schlaff nach unten. Zu Annekes Erleichterung hatte Ohlin zumindest den zertrümmerten Schädel des Kutschers mit dem Mantel verhüllt. Trotzdem versuchte sie so gut es ging, den Blick von der Leiche abzuwenden.
    »Hast du Angst vor den Toten?« fragte Königin Christina unvermittelt. Anneke hatte nicht bemerkt, daß sie aufgewacht war.
    »Majestät?«
    Sie deutete auf die Leiche. »Fürchtest du dich vor diesem Kadaver?«
    |232| »Wer befindet sich schon gerne in der Nähe von Verstorbenen?« erwiderte Anneke. »Zumal wenn ihnen der halbe Kopf fehlt.«
    »Und sie einen strengen Geruch von sich geben«, meinte die Königin. Sie zog ein angewidertes Gesicht. »Leben deine Eltern noch, Anneke?«
    »Nur meine Mutter. Der Tod meines Vaters liegt inzwischen mehr als zehn Jahre zurück«, sagte Anneke.
    »Hast du die Leiche deines Vaters gesehen?«
    Anneke fragte sich, welches Interesse die Königin an diesen Dingen hatte, aber sie antwortete wahrheitsgemäß: »Ich erinnere mich noch gut daran, wie man ihn in unserem Haus aufgebahrt hatte. Er sah selbst im Tode noch so lebendig aus, daß ich glaubte, er würde jeden Moment die Augen aufschlagen und mich in die Arme schließen.«
    »Auch ich habe früh meinen Vater verloren«, sagte die Königin. »Vielleicht hast du davon gehört.«
    Anneke nickte. Natürlich kannte sie die Geschichten, die man sich über den großen Schwedenkönig Gustav Adolf erzählte, der seine Armee auf deutschen Boden geführt und auf dem Schlachtfeld für den Protestantismus sein Leben gelassen hatte.
    »Mein Vater sah alles andere als frisch aus, als man ihn zurück nach Schweden brachte«, sagte die Königin. »Zwar war er einbalsamiert worden, aber der bombastische Trauerzug durch die deutschen Lande hatte sich über Monate hingezogen. Und als seine Leiche endlich zurück nach Stockholm geschafft worden war, ließ meine Mutter Maria Eleonora seinen offenen Sarg in ihre Kammer schaffen und befahl, daß man ihn

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