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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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mußte wirklich groß sein. Doch das alles erklärte nicht, warum Malin Sörenstam ihn verdächtigt hatte, die Ermordung der Königin zu unterstützen.
    »Aus welchem Grund wurde ich mit dieser Angelegenheit in Verbindung gebracht?« fragte er darum. »Ich kenne keinen Ove Dahlgren, ich habe niemals zuvor etwas von den ›Falken Gottes‹ gehört, und ich wußte nicht, daß Königin Christina den Wunsch hegt, zum katholischen Glauben zu konvertieren.«
    Malin Sörenstam räusperte sich und antwortete: »Mein Bruder stieß in den Unterlagen des Laurelius auf eine chiffrierte Depesche. Es stellte sich heraus, daß für diesen Text eine Verschlüsselung angewandt worden war, die nur Ihr benutzt. Ich beschloß daraufhin, meinen Bruder nach Osnabrück zu begleiten und mit einer gefälschten Empfehlung in die Dienste des Grafen Oxenstierna zu treten, um mehr über Euch in Erfahrung zu bringen.«
    »Und mich in meinem Haus niederzuschlagen«, raunte Magnus.
    »Was blieb mir denn in diesem Moment anderes übrig?«
    Magnus brummte abfällig und verschränkte die Arme vor |264| der Brust. »Ich habe jedenfalls keine verschlüsselte Depesche an Dahlgren oder einen seiner Gefolgsleute geschickt. Was hätte ich ihm auch mitteilen sollen?«
    »Bei diesem Brief handelte es sich nur um die kurze Notiz, daß eine Nachricht von Dahlgren sein Ziel erreicht hatte und daß er in Osnabrück jede erdenkliche Unterstützung erhalten würde.«
    »Das ist doch unsinnig«, ereiferte sich Magnus.
    »Unsinnig oder auch nicht«, meinte Malin Sörenstam. »Es ist jedoch anzunehmen, daß eine Person aus Eurem Haushalt Euren Chiffreschlüssel angewandt hat, um eine Depesche an Dahlgren abzusenden. Sei es nun jemand aus Eurem Gesinde oder aber Eure Ehefrau.«
    Magnus erhob sich und richtete drohend einen Finger auf Malin Sörenstam. »Haltet Eure Zunge im Zaum! Ich dulde es nicht, daß Ihr solche haltlosen Verdächtigungen gegen mein Eheweib aussprecht.«
    Malin Sörenstam blieb ruhig auf dem Bett sitzen, wartete einen Moment ab und sagte dann: »Ich wollte Euch nicht provozieren, Herr Ohlin. Es liegt mir nur daran, alle Möglichkeiten abzuwägen.«
    »Das ist keine Möglichkeit, sondern Unfug. Ich lebe mit Svante seit fünf Jahren zusammen. Sie ist es, die momentan der größten Gefahr ausgesetzt ist, denn sie ahnt nicht, daß ihre Magd Ebba eine gefährliche Giftmischerin und Meuchlerin ist.« Er schaute von Malin Sörenstam zu Königin Christina und ballte die Fäuste, um seiner Überzeugung Nachdruck zu verleihen.
    »Es ist Ebba«, sagte er wütend. »Und ich werde sie zur Rechenschaft ziehen lassen.«

|265| Kapitel 26
    Früh am Morgen des nächsten Tages machte Anneke sich auf den Weg, Malin Sörenstam zu der Leiche ihres Bruders zu führen. Seltsamerweise war die Angst, zu der Senke zurückzukehren, verschwunden. Die unangenehme Vorstellung, sich dem verwesenden Körper zu nähern, wurde verdrängt von den widersprüchlichen Gefühlen und Phantasien, die Anneke seit ihrem nächtlichen Gespräch mit Magnus Ohlin plagten.
    Sie konnte sich nicht erklären, was mit ihr geschehen war. Wie hatte es dieser Kerl fertiggebracht, sich in ihren Kopf zu schleichen? Die halbe Nacht hatte sie wachgelegen und sich vorgestellt, daß nicht Lene, sondern Ohlin neben ihr läge. Daß sie über seinen Kopf und seine Schultern streicheln und ihn vielleicht sogar küssen würde. Irgendwann hatten diese frivolen Gedanken, die ihren ganzen Körper kribbeln ließen, sie sogar dazu verleitet, Lenes Arm zu berühren, worauf diese nur im Schlaf gezuckt und Anneke sich schnell umgedreht hatte.
    Magnus Ohlin – sie wollte seinen Namen und sein Gesicht aus ihrem Kopf vertreiben, doch das gelang ihr auch nun nicht, während sie Malin Sörenstam gedankenverloren und schweigend durch das Unterholz führte.
    Sie passierten den Bach, an dem Anneke damals das Gebetbuch aufgeschlagen hatte, bevor sie auf die beiden Reiter aufmerksam geworden war. Anneke blieb kurz stehen, um sich zu orientieren. Sie rief sich in Erinnerung, in welche Richtung sie gelaufen war, als sie den Schuß gehört hatte, dann winkte sie Malin mit sich, und bald darauf |266| erreichten sie ihr Ziel. Schon von weitem erkannte Anneke die Stiefelspitze, die aus der Blätterschicht ragte. Sie wandte sich um und ließ Malin Sörenstam allein weitergehen. Anneke legte keinen Wert darauf, die Leiche noch einmal zu betrachten.
    Sie mußte an das Gesicht des Toten denken, dessen Augen von den Krähen herausgerissen

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