Die Falken Gottes
vermutete, daß es sich bei dieser Bemerkung nur um eine Floskel handelte.
»Ich glaube, ich bin hier gut aufgehoben, Majestät«, erwiderte sie, worauf die Königin sofort einen Finger auf ihren Mund legte.
»Denk daran: Hier bin ich nur der Sohn eines Grafen. Keine Königin.«
»Wie Ihr meint, Majes… mein Herr.« Anneke wandte sich zu Ohlin um, der ihr lächelnd in die Augen schaute und |269| damit erneut eine kribbelnde Erregung verursachte. »Ich habe deine Dienstherrin mehr als großzügig entlohnt«, sagte er. »Die nächsten Tage wird sie also hoffentlich bei guter Laune sein und dich nicht zu sehr schinden.« Seine Miene wurde ernster. »Was mich ärgert ist, daß jemand die Stiefel von Kjell Ekholm entwendet hat. Ich hatte sie gestern mit seinem Mantel und seinem Wams neben Karls Leichnam abgelegt, doch nun sind die Stiefel verschwunden.«
»Ist dieses Schuhwerk denn so wichtig für Euch?« fragte Anneke.
»Im Grunde nicht mehr. Ich hätte nur gerne jeden Winkel, jeden Saum und jede Falte von Ekholms Kleidung nach versteckten Hinweisen abgesucht. Doch seit meinem Gespräch mit der Königin sind ohnehin alle Geheimnisse gelüftet worden.«
»Dann wißt Ihr nun, warum sie nach Deutschland gekommen ist?«
Er seufzte. »Ja. Und diese Offenbarung hat mir den Schlaf geraubt.« Ohlin faßte Annekes Hände. Sie hielt kurz den Atem an und zitterte leicht, als er einen kleinen Schritt nach vorn machte und so nah an sie herantrat, daß sich ihre Knie fast berührten.
»Ich würde dich gerne wiedersehen«, flüsterte er ihr zu.
Anneke zögerte und rief sich Malin Sörenstams mahnende Worte in Erinnerung. Wollte sie für Magnus Ohlin zu einem Spielzeug werden, selbst wenn sie an diesem Spiel vielleicht Gefallen finden würde?
»Besser nicht«, erwiderte sie leise.
Ohlin nahm dies mit unbewegter Miene und einem Nicken hin. Ihre Finger lösten sich voneinander. Er stieg auf den Kutschbock. Annekes Augen folgten ihm.
»Ich bilde mir das alles also nur ein?« raunte Malin Sörenstam und verzog spöttisch den Mund, bevor sie Ohlin auf |270| den Bock folgte. Kurz darauf setzte sich die Kutsche in Bewegung und rollte auf die Straße zu. Eine Zeitlang blieb Anneke noch in der Hofeinfahrt stehen. Erst als die Kutsche hinter einer Biegung verschwand, senkte sie den Kopf und trat zur Schenke, wo die Monsbacherin schon nach ihr rief.
Der Ofen, in dem die Glut seit der vergangenen Nacht geschwelt hatte, schickte eine trockene Hitze aus. Anneke perlte der Schweiß von der Stirn, als sie in der Küche den Brotteig kräftig mit dem Handballen knetete und kleine runde Laibe daraus formte.
Ein angenehm säuerlicher Geruch stieg ihr in die Nase und dazu der Duft nach Kümmel. Lucia Monsbach, die die Glut im Ofen geprüft hatte, wandte sich zu ihr um und summte eine Melodie. Anneke hatte sie selten so gelöst und gutgelaunt erlebt. Anscheinend hatte Magnus Ohlin sie tatsächlich so großzügig entlohnt, daß auch die Menschen in der Umgebung der Monsbacherin davon profitieren konnten.
Der Gedanke an Magnus Ohlin ließ sie kurz mit ihrer Arbeit innehalten. Er fehlte ihr, obwohl kaum zwei Stunden vergangen sein mochten, seit die Kutsche abgefahren war. Anneke schloß kurz die Augen und rief sich sein Gesicht in Erinnerung.
Ein Klaps auf ihre Finger riß sie jäh aus allen Träumereien.
»Schlaf heute nacht, aber nicht hier in der Küche«, schimpfte Lucia Monsbach, die Anneke aber nicht lange gram war, sondern nun selbst zum Teig griff und ihn beherzt knetete. Die gute Stimmung ihrer Dienstherrin hätte für ein angenehmes Tagwerk sorgen können, doch kurz darauf näherte sich bereits wieder ein Unheil in Gestalt des zerknirschten Seybert. Der Schankwirt trat in die Küche |271| und faßte Annekes Arm. »Komm! Ich habe eine andere Aufgabe für dich«, sagte er.
»Sie ist hier noch nicht fertig«, wandte die Monsbacherin schnippisch ein, doch Seybert schien nicht in der Stimmung zu sein, seiner Frau Folge zu leisten.
»Ich brauche sie im Stall«, sagte er. »Oder möchtest du an ihrer Stelle gehen?«
Die Monsbacherin bekreuzigte sich. »Gott bewahre! Das soll sie erledigen. Schließlich hat sie uns die Misere eingebrockt.«
Seybert brummte nur und zog Anneke mit sich. Sie durchquerten die Gaststube, in der die beiden schwedischen Soldaten noch immer vor ihren Bierkrügen hockten. Dann lief sie auch schon mit Seybert auf das Stallgebäude zu, und Anneke fragte sich bang, was es dort für sie zu erledigen gab. Hatte es
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