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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reber Sabine
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Wasser. Sie schnitt eine Orange in Scheiben und gab sie hinein. Im Schrank fand sie alte Papierservietten. Als sie fertig war, schien die Sonne.
    Sie setzten sich auf die Bank vor dem Haus, räkelten sich in der unverhofften Wärme. Schweigend aßen sie. Daniel las immer noch im Roman von Maude Brioche-Boudin.
    Warum willst du so einen Mist übersetzen?, fragte er schließlich.
    Ich habe mich darauf gefreut, druckste sie, die Übersetzung ist eine Chance. Wenn sie mir gelingt, folgen interessantere Aufträge.
    Aber sie glaubte selber nicht mehr, was sie sagte. Daniel fixierte sie mit seinen dunklen Augen, er ließ ihr keinen Raum für weitere Ausreden.
    Du hast jetzt schon Besseres verdient! Das Buch ist der letzte Dreck!, stellte er noch einmal fest. Es folgte ein Schwall unfreundlichster Schimpfworte. Linda staunte, wie sehr er sich ereiferte. Aber Daniel hatte die Gabe, unangenehme Tatsachen so klar und hart zu formulieren, dass es kein Ausweichen gab. Sie konnte nicht anders als ihm vertrauen.
    Sie legte ihr halb gegessenes Baguette auf das Manuskript. Der Appetit war ihr vergangen. Ihr bisheriges Leben war nichts, das sah sie nun deutlich. Jeder einzelne Tag, den sie über der Übersetzung gebrütet hatte, war verschwendet. Sie rückte zu Daniel, legte ihren Kopf an seine Schulter.
    Daniel deutete Richtung Himmel. Linda sah die Sonne hinter einem schwarzen Vorhang verschwinden. Sie schäkerte, schmiegte sich an ihn. Er legte seinen Arm um sie. Gemeinsam sahen sie in den Himmel. Sie beobachteten Wolkenwände, Blitze, zählten Sekunden, hörten Donner. Das Grollen kam näher, sie rückten zusammen.
    Jetzt sitzt du mit mir unter der Traufe. Daniel lachte.
    Ich möchte nirgendwo anders sein, sagte sie.
    Im Licht des nächsten Blitzes legten sie ihre Lippen aufeinander, weich und warm. Ihr Atem mischte sich, ihr Herzschlag wurde eins, ihre Zungen wurden eins. Der Donner klang ferner.
    Und der Regen ließ sich Zeit, ließ ihnen Zeit.
    Regentropfen klatschten Linda ins Gesicht. Lachend wischte sie sie weg. Daniel reichte ihr das Manuskript, auf dem immer noch ihr halbes Sandwich lag. Linda winkte ab. Die fetten Buchstaben auf dem obersten Titelblatt verschwammen zu grauen Pfützen, die Brotkrümel weichten sich auf und klebten fest. Die Farbe der Serviette floss ins Papier. Trotzig legte sie beides auf den Boden, lachte Daniel zu. Als müsse sie beweisen, dass ihr das launische Wetter nichts ausmachte, blieb sie an seiner Seite sitzen, küsste ihn noch einmal lange und umständlich. Sie verrenkten die Hälse. Sie lachten darüber, dass ihre Nasen zu lang waren. Sie schlangen sich ineinander wie Pflanzen, gingen ineinander auf.
    Sie sahen nicht, dass Pharao herangekommen war und sich über das Sandwich hermachte, auf die Druckfahnen sabberte. Der Regen fiel dichter.
    Komm, sagte Daniel.
    Linda folgte ihm ins Haus, warf einen letzten Blick auf das Manuskript von Maude Brioche-Boudin. Von der Hundezunge und dem Regen war es dermaßen aufgeweicht, dass es sich zu einer Schale verzog.
    Daniel schälte einen Apfel. Seine langen Haare fielen ihm ins Gesicht. Sie wollte hineinfassen, ihr Gesicht in der dichten Mähne vergraben. Unter der Küchenlampe schien nicht selbstverständlich, was im Schein der Blitze wie von selber geschah. Sie sah ihn lange an. Wie groß und feingliedrig und doch erstaunlich kräftig er war. Linda bewunderte seine ebenmäßigen Gesichtszüge, seine ruhigen Bewegungen. Der schönste Mann, den ich mir vorstellen kann, dachte sie, der schönste Mann, der mir je begegnet ist. Sie seufzte.
    Pharao warf ihr eifersüchtige Blicke zu, knurrte.
    Alles klar, sagte Daniel, ich kümmere mich gleich um dich.
    Die Schale fiel an einem Stück auf den Tisch.
    Daniel reichte Linda einen Apfelschnitz. Sie biss hinein, sah ihm dabei in die Augen, hielt seinem dunklen, klaren Blick stand, das Licht der Küchenlampe in den Pupillen.
    Du hast Sterne in den Augen, sagte sie.
    Der Hund knurrte.
    Daniel ignorierte ihn. Er fasste nach Lindas Hand, küsste sie, dann biss er sie. Sie rückte näher, sie strich ihm die Haare aus dem Gesicht, schloss die Augen. Und kleine Apfelstücke wanderten von seinem Mund in ihren. Und zurück.
    Komm, ich zeige dir mein Arbeitszimmer!
    Daniel erhob sich. Pharao folgte ihm auf den Fersen. Linda versuchte ihn zu streicheln, der Hund wich zurück.
    Daniel kramte in einem alten Schrank, holte eine Kartonschachtel hervor. In zwei Stofflappen waren die Schuhe gewickelt, Größe 36.
    Probier sie

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