Die Falken und das Glück - Roman
an!
Sie passten.
Linda ging im Zimmer auf und ab, besah sich eine Kohleskizze, die auf dem Tisch lag, halbfertige Vögel, wie eine Kinderzeichnung. Sie stolperte in den ungewohnten Schuhen.
Gib acht, die sind vierhundertfünfzig Jahre alt, sagte er, aus der Zeit von Maria Tudor, 1553 bis 1558 Königin von England und Irland.
Die Messingschnallen schimmerten sanft. Ihre Füße im Mittelalter, trat Linda ein in die Welt von Daniel. Andächtig sah er ihr zu, wie sie durch sein Büro stakste. Die antiken Schuhe waren hart und unbequem, der Absatz war weit nach vorn gesetzt, so dass die Fersen im Leeren hingen. Sie stöckelte mit steifen Schritten wie ein Strandvogel. Er sah ihr belustigt zu.
Meine mittelalterliche Lumme, lachte er.
Mein Tölpel, gab sie zurück.
Nicht schlecht, Frau Specht, frotzelte er.
Die Trottelumme heißt auf Französisch übrigens guillemot à capucin. Ich habe kürzlich für den Verband der Europäischen Ornithologen einen Bericht aus dem Französischen übersetzt.
Ich habe nichts von Trottel gesagt, protestierte er, aber zweifellos bist du eine Art Wasservogel, eine Undine mit Flügeln, ein merkwürdiges Fantasiewesen, eine aussterbende Art wahrscheinlich. So eine wie dich hab ich jedenfalls noch nie gesehen.
Sind wir nicht alle am Aussterben, konterte sie, wie die Trappen, outardes, schönes Wort, nicht?
Er zog sie zu sich auf die Couch. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter, bettete ihre Wange in das Nest seiner Haare.
Ich bin ein Otter, sagte sie.
Mächtig zu Lande und zur See, staunte er, Terra marique potens. Ich kenne noch so eine.
Eine Freundin von dir?
Eine alte Bekannte, die liegt allerdings schon vierhundert Jahre lang unter der Erde. Auf ihrem Grab steht Terra marique potens. Zeige ich dir morgen.
Die Otter gehören zur Familie der Schmetterlinge, sagte Linda. Und was bist du für ein Tier?
Nach dem schamanischen Naturhoroskop? Ich lasse dich raten.
Ein Rabe? Oder eine Eule?
Falke! Aus dem Habichts-Clan.
Linda sah ihn erschrocken an. Und wusste zugleich, ihm würde sie ihr wahres Gesicht zeigen.
Einfach fliegen, sagte sie, oder abtauchen, auf und davon, eigentlich wäre ich lieber eine Möwe.
Du darfst mir nicht wegfliegen, sagte er, du darfst mich niemals verlassen. Auf dich habe ich gewartet, seit ich denken kann. Du bist mein Ein und Alles. Du bist mein Fisch und du bist mein Vogel, du kamst aus dem Regen, schlugst einen Bogen. Du darfst mir auch nicht wegschwimmen.
Was bist du?
Ein Stein, sagte er, ich habe meine Flügel längst abgelegt. Ich bin höchstens noch als Basstölpel gut, pfeilschnell in die Fluten stürzend, in die Tiefe sinkend. Ich sinke jedenfalls, auf dem Meeresgrund werde ich ruhen.
Aber noch lange nicht!, rief sie. Du darfst nicht sterben, jetzt, wo ich dich endlich gefunden habe.
Ich habe dich gefunden, stellte er klar.
Du darfst mir nie mehr vom Sterben reden, sagte sie, du musst für mich am Leben bleiben.
Sie bewegten sich mit den Wellen, sie atmeten mit dem Wind, auf und ab, sie waren Teil des großen Ganzen, sie waren eins. Eifersüchtig scharrte Pharao vor der Schwelle.
Ich treibe es übrigens nicht mit jedem, flüsterte sie Daniel ins Ohr.
Sie fasste nach seiner Hand, heute gehöre ich ganz dir.
Und morgen?
Morgen auch, sagte sie und fasste nach unten.
Du darfst alles, sagte er.
Der Hund sprang an der Tür hoch, bis er die Klinke erwischte. Fahr ab, Pharao, sagte Daniel und stand auf.
Hier bin ich der Chef, du bleibst draußen. Und lass mir Linda in Ruhe!
Er nahm den Hund am Halsband und zerrte ihn vor die Haustür, fügte an: Das ist ein Befehl!
Dann legte er sich wieder zu Linda. Er verlieh ihr Flügel, die sie über sich selbst hinaus trugen, er trug sie in den Sturm hinaus, aufs Meer. Sie ließ sich gehen, sie schwebte, ein Vogelschrei entfuhr ihr. Sie wollte den Atlantik überqueren, eins mit ihm und den Böen und dem Regen, westwärts, westwärts, seit Jahrhunderten führten alle Wege westwärts, in ein neues Leben. Sie wollte Wasser werden und sie wollte Luft werden. Sie verlor sich. Es gab nur noch Daniel und den Wind und die Wellen und die Bewegung ihrer Körper. Sie lösten sich auf in den Elementen. Und der Mond stieg am Himmel, lenkte die Gezeiten, der Atlantik so nah, das Meer in ihrem Innern, es wurde mit ihnen lauter, die Brandung übertönte das Gewitter, sie wiegten sich im Takt des Meeres. Linda überließ sich dem Wetter, folgte Daniel in die Nacht hinaus.
Alles wird gut, flüsterte Daniel. Er
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