Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
einer offenen Feldschlacht weiß man nie, wie’s ausgeht. Soweit ich gehört habe, ist Ludwig gut aufgestellt. Er hat sich Landsknechte aus Frankreich angeworben. Doch nun gib Ruh. Ich will lesen.« Margarethe hielt den Umschlag in den Händen. So sehr sie Margots Gesellschaft mochte, wäre sie in diesem Augenblick lieber allein gewesen. Ihr war bang zumute, als ihr Blick auf das Siegel fiel. Sie schnupperte an dem Pergament, in der Hoffnung, er könne nach Albrecht riechen, aber da war nichts als der Geruch von Leder und Pferdeschweiß. Für einen Moment schlug sie die Augen nieder und rief sich Albrechts edle Züge in Erinnerung. Den sanft geschwungenen Mund, seine freundlichen braunen Augen. Was, wenn der Umschlag schlechte Nachrichten enthielt und Albrecht in die Schlacht reiten musste? Immer dieses Bangen, bei jedem Brief, jeder Nachricht. Sie griff nach dem schmalen Messerchen und löste vorsichtig das Wachs. Albrechts markante, gleichmäßige Schriftzüge füllten das Blatt. Die Schrift war ihr so vertraut, dass sie sie unter Hunderten erkannt hätte. Sie atmete auf. Der Herzogssohn hatte selbst zur Feder gegriffen, also war er wohlauf. Ihre Augen hasteten von Zeile zu Zeile und füllten sich schließlich mit Tränen.
»Was ist denn?«, fragte Margot besorgt, als Margarethe totenblass und mit bebenden Lippen dastand. Sie nahm ihrer Freundin das Schreiben aus der Hand und begann, es zu lesen.
Liebste Margarethe,
meine Träume, all mein Sehnen sind bei Dir. Ich sitze an meinem Schreibtisch, vor mir Dein Bildnis. Ich habe mich so über das Medaillon gefreut, welches Du mir mit der letzten Post hast zukommen lassen. Nun halte ich es in meinen Händen, berühre es, und wenn ich die Augen schließe, kann ich mir vorstellen, Du wärst es selbst, die ich liebkose. Mein Herz, ohne Dich ist alles öd und leer. Ich sehne ein Wiedersehen herbei wie die Lerche das Aufgehen der Sonne. Viel zu lange schon sind wir voneinander getrennt. Ich wünschte, mein Vater wäre nicht so starrsinnig und ließe Dich nach München kommen. Aber es gibt Hoffnung: Endlich hat mir der Herzog ein Kommando erteilt. Über die Art der Mission kann ich Dir leider keine Auskunft geben, denn dieser Brief könnte in die Hände des Feindes geraten. Wenn Du dieses Schreiben liest, bin ich vermutlich wieder wohlbehalten zurück in München. Ich sehne den Kampf nicht herbei, aber wenn es hilft, den Herzog in unserer Sache milde zu stimmen, reite ich frohen Herzens.
Diese Worte mögen Dich erschrecken, aber sorge Dich nicht, Liebste. Die tapfersten Ritter Bayern-Münchens stehen mir zur Seite, kampferprobte Vasallen und allen voran unser guter Jan. Du weißt, es gibt keinen zweiten, dem ich so vertraue wie ihm. Gemeinsam werden wir uns bewähren und hoffentlich den Feind lehren, das Hasenpanier zu ergreifen. Wir reiten mit Gottes Segen und im Vertrauen auf ihn!
Liebste Margarethe, verzage nicht. Schließe uns in Deine Gebete ein, so wie wir Dich in unsere.
Albrecht
Margot sah auf, aber Margarethe war verschwunden. In der Tür stand Trine, die Zofe, und blickte ihrer Herrin verwundert nach. Langsam ließ die junge Hofdame das Schreiben sinken. Margarethe tat ihr so leid. Vier Jahre nur mit Briefen waren eine lange Zeit.
»Hat die Herrin schlimme Nachrichten bekommen?«, erkundigte sich Trine besorgt. »Ist dem Herrn Albrecht etwas zugestoßen?«
Zwischen den drei Frauen herrschte ein vertrauensvolles Verhältnis. Manchmal kam es Margot fast so vor, als wäre Trine eine von ihnen. Auch fand sich die Zofe wunderbar am gräflichen Hof zurecht, ganz so, als hätte sie nie an einem anderen Ort gelebt.
»So schlimm ist es glücklicherweise nicht«, weihte Margot sie deshalb ein. »Margarethe macht sich viel zu viele Gedanken.«
Die Zofe nickte. »Es ist nicht einfach, seinen Geliebten Auge in Auge mit dem ärgsten Feind zu wissen. Manches kann geschehen, und manchmal …« Ein kummervoller Zug trat auf ihr Gesicht.
Margot rümpfte die Stupsnase. »Ihr seid alle beide Schwarzseherinnen. Ich geh Margarethe lieber nach, bevor die Wachen vor Schreck noch die schwarze Flagge hissen.«
Sie wusste, wo sie ihre Freundin finden würde. Im Garten gab es eine Laube, in die sich die Rothaarige stets flüchtete, wenn sie der Kummer quälte.
Margarethe glaubte, ersticken zu müssen, obwohl im Garten eine frische Brise durch die Sträucher strich. Die Brust war ihr eng, und sie wähnte sich einer Ohnmacht nahe. Sie wusste, dass Albrechts Abenteuer einen
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