Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
der Wanne aus. Ungeduldig ließ sich Margot erst abtrocknen und dann ankleiden. Dann rannte sie aus dem Raum, hinunter in den Garten und hin zu der kleinen Pforte, durch die Hans von Sachsenheim sie stets einzulassen pflegte. Er war noch nicht da. Natürlich nicht, sie war ja auch viel zu früh. Unruhig streifte sie zurück zur Rosenlaube, begleitet vom lautstarken Protest eines erbosten Eichelhähers. Zweimal wurde Margot von entfernten Stimmen aufgeschreckt, die sich aber rasch wieder entfernten.
Während sie wartete, ging sie in Gedanken immer wieder das Gespräch durch, das sie mit Sachsenheim zu führen gedachte. Auf alle seine Einwände glaubte sie eine Antwort parat zu haben. Je länger sie so herumstand, umso größer wurde ihre Ungeduld, das Einstudierte loszuwerden. Sie verkroch sich in ihrer Laube und beobachtete die massigen Wolkenberge am Himmel.
Endlich zeigten die Schatten an, dass es bald dunkel werden würde. Mehrfach blickte sie sich um, ob sie auch nicht beobachtet wurde, als sie sich zurück zur Pforte begab. Im nächsten Moment schwang das kleine Türchen auf, und Hans von Sachsenheim stand vor ihr. Endlich. Hätte es nicht jeglicher Form des Anstandes widersprochen, sie wäre ihm mit einem Freudenschrei um den Hals gefallen.
»Fräulein Margot«, flüsterte er mit einer Inbrunst, die ihr Herz augenblicklich zum Schmelzen brachte.
»Hans, Verzeihung, Herr von Sachsenheim«, flüsterte sie überglücklich. »Ich hatte Angst, Ihr würdet nicht kommen.«
Galant küsste er ihre Hand. »Nichts läge mir ferner.«
Lächelnd trat er beiseite, um sie einzulassen, was Margot Gelegenheit verschaffte, ihn aus dem Augenwinkel zu betrachten. Auch er hatte sich herausgeputzt und dem Geruch nach ein Bad genommen. Seine dunkelblonden, halblangen Haare fielen sorgsam gekämmt auf seine Schultern. Er trug ein Wams aus hellgrünem Leinen und, wie es zunehmend in Mode kam, Beinlinge in zwei verschiedenen Farbtönen. Margot war sich sicher, dass ein Mann ernsthafte Absichten hegen musste, der sich für ein Stelldichein solche Mühe mit seinem Äußeren gab. Hoffentlich ließ er sich nicht verschrecken, wenn er von der Wartezeit erfuhr, die der Truchsess ihnen beiden auferlegt hatte. Aber nein. Er würde verstehen, denn er war selbst ein Mann von Stand. Seine jungenhaften Augen blitzten verschmitzt, während er Margot zu einer Laube aus Weinlaub geleitete.
Das Mädchen staunte nicht schlecht. Ein intimes Mahl mit Braten und Wein und Kerzenschein war dort vorbereitet. »Herr von Sachsenheim, ich bin beeindruckt. Das ist einfach überwältigend.«
»Ihr seid jede Mühe wert. Wenn ich Euch ansehe, Fräulein Margot, schwinden mir fast die Sinne. Gerne würde ich vor so viel Schönheit auf die Knie sinken, aber ich fürchte, Ihr würdet mich verspotten.«
»Das Knie sollte man nur vor Gott und seinem König beugen«, tadelte Margot leichthin.
»… oder um einem wunderschönen Geschöpf in aller Demut zu begegnen.« Tatsächlich ließ er sich auf die Knie sinken und beugte den Nacken.
»Ich bitte Euch, mein Herr, Ihr bringt mich in Verlegenheit. Erhebt Euch.«
Er folgte ihrer Aufforderung und schien im nächsten Augenblick zu stutzen. »Was sehe ich? Ihr habt noch nichts zu trinken.« Eilig nahm er ihre Hand und führte sie zu einem weichen Lammfell, wo sie Platz nehmen konnte. Dann goss er dunkelroten Wein in zwei tönerne Becher. »Wenn Ihr gestattet, würde ich Euch gerne einen Schluck dieses köstlichen Tropfens anbieten. Er stammt direkt aus dem Keller unseres verblichenen Herzogs. Er war so gütig, ihn mir zu überlassen.«
»Zu Lebzeiten oder danach?«, scherzte Margot mit sanfter Stimme.
Sachsenheim ignorierte die Bemerkung. Formvollendet reichte er ihr den Wein. Dann ließ er sich neben ihr nieder. »Darf ich mir die Bemerkung erlauben, dass Ihr heute ganz bezaubernd ausseht, mein Fräulein.«
Margot schnurrte wie ein Kätzchen. Es war genauso, wie sie es sich erträumt hatte. Genießerisch nahm sie einen großen Schluck. Weich und süß rann das Getränk ihre Kehle hinunter und hinterließ dort ein wohliges Gefühl. Während sie tranken, versanken ihre Blicke ineinander. Hätte Margot nicht bereits gesessen, hätten spätestens jetzt ihre Knie nachgegeben. »Einfach köstlich, Herr von Sachsenheim«, lobte sie.
»Für Euch nur das Beste.« Aufmerksam erkundigte er sich nach ihrem Befinden, und stockend begann sie, von dem Streit mit ihrem Vater zu erzählen. Zu ihrer Erleichterung war er
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