Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
vermisst. Und auch Trine hatte nur den Kopf geschüttelt, als ihre Herrin sich nach dem Mädchen erkundigt hatte. Hoffentlich begehen die beiden keine Dummheiten, betete Margarethe, während sie darüber nachdachte, wo genau Margot und Hans von Sachsenheim sich getroffen haben könnten. Es war bereits spät am Abend. Der Himmel hatte aufgeklart, und ein fahler Halbmond stand hoch am Himmel. Ein weiteres Mal durchstreifte Margarethe den Garten. Nichts, keine Spur von ihrem Schützling. Allmählich wurde sie ärgerlich.
»Am liebsten würde ich hier bei Euch bleiben«, flüsterte Margot und zog die Decke, auf der sie lag, um sich. Sie zitterte ein wenig. Je mehr die Leidenschaft abebbte, spürte sie, wie ein stechender Schmerz ihren Körper zu durchbohren schien.
Sachsenheim lag mit zufriedenem Gesichtsausdruck neben ihr und meinte belustigt: »Sei mir nicht böse, Kleine, aber große Freude hättest du heute nicht mehr an mir. Geh ruhig schon zurück. Ich schließe die Pforte nachher ab.«
»Aber ich würde lieber gemeinsam mit Euch …«
»Geh jetzt, hab ich gesagt!«, knurrte Sachsenheim sie unwirsch an. »Morgen werde ich dir wieder zu Diensten sein.«
Erschrocken zuckte Margot zusammen. Der Hofmeister schloss die Augen und kümmerte sich nicht weiter um sie. Er erkundigte sich nicht einmal nach ihrem Wohlbefinden. Aber vermutlich brauchte er einfach ein bisschen Ruhe, versuchte sich die junge Frau einzureden. Sie sollte nicht störrisch sein, sondern tun, was er verlangte, so wie es sich für eine gehorsame Ehefrau gehörte. Mühsam kam sie auf die Beine. Immer noch drehte sich alles um sie. Eine warme, klebrige Flüssigkeit rann an ihren Beinen herab. Sorgfältig klopfte sie sich Laub und Erde von der Kleidung und ordnete ihr Haar, während sie immer noch hoffte, Sachsenheim würde die Augen öffnen, aufstehen und sie noch einmal an sich ziehen.
Doch er streckte sich nur seufzend auf dem Rücken aus, die Arme im Nacken verschränkt. Allerdings war seine Miene nun wieder sanft und zufrieden. Als sie sich endlich zum Gehen wandte, flüsterte er ihr nach. »Bis bald, wunderbare Margot. Du bist ein Engel.«
Langsam schwankte Margot davon. Das Hochgefühl von vorhin war verflogen. Der süße Wein stieß ihr sauer auf, und ihr war schlecht. Jeder Schritt schmerzte. Sie versuchte, sich zu orientieren. Tatsächlich waren sie gar nicht so weit von der kleinen Pforte entfernt gewesen. Sie stieß dagegen und öffnete sie lautlos. Hoffentlich hatte sie vorhin niemand gehört, aber weit und breit war kein Mensch zu sehen. Langsam humpelte sie bis zur Rosenlaube. Dort ließ sie sich mit einem Seufzer nieder. Und plötzlich gab es da eine Stimme in ihrem Kopf, die sie eine Närrin schalt. Was hatte sie nur getan? Was, wenn der Sachsenheim sie am Ende nicht heiraten würde? Aber nein. Er war ein Edelmann, der zu seinem Wort stand. Hatte er nicht selbst gesagt, dass er sie liebte?
»Himmel, wo warst du?«, hörte sie plötzlich eine vorwurfsvolle Stimme aus der Dunkelheit. »Du kannst doch nicht mutterseelenallein hier herumsitzen.«
Margot zuckte zusammen. Sie hob den Kopf und entdeckte Margarethes hoch aufgewachsene Gestalt. Margot wich dem empörten Blick ihrer Freundin aus. »Spazieren«, antwortete sie und hörte selbst, wie unglaubwürdig das klang.
»Wo ist der Sachsenheim?«, forschte Margarethe, während sie näher trat.
Margot versuchte, sich an ihr vorbeizudrängen. Sachsenheims Geruch haftete immer noch an ihr, doch Margarethe schien ihn nicht zu bemerken, denn sie sagte lediglich: »Du hast getrunken. Ist dir etwa schlecht geworden?«
»Ja.« Margot war ihr dankbar für diese Ausrede. »Ich hab mich übergeben müssen. Besser, ich leg mich hin.«
Ihre Freundin hielt sie zurück. »Hast du es ihm gesagt? Du hast dich doch mit Sachsenheim getroffen, oder?«
»Ja«, sagte Margot wahrheitsgemäß.
»Und?«
»Du wirst es nicht glauben, aber er hat Verständnis für die Bedenken meines Vaters. Er wird die Zeit abwarten und dann offiziell um meine Hand anhalten.«
»Ein Punkt für dich. Aber jetzt rasch hinein mit dir. Es muss ja nicht jeder mitbekommen, dass du dich hier draußen herumtreibst.«
Margarethe hörte ein deutliches Flüstern im Garten. Wieder einmal war sie auf der Suche nach ihrem Schützling Elisabeth, welche die Lateinstunde versäumt hatte. Da allerdings auch Johann von Werdenberg durch Abwesenheit glänzte, lag die Vermutung nah, dass die beiden sich gemeinsam die Zeit vertrieben und
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