Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
selbige dabei ganz vergessen hatten. In dem Teil des Gartens, welcher der gräflichen Familie vorbehalten war, gab es eine Weinlaube, in die man sich zurückziehen konnte. Als Elisabeths Gouvernante hatte auch Margarethe zu diesem Bereich Zutritt.
Langsam schritt die Hofdame in jenen Teil des Gartens, wo sich ein steinerner Brunnen mit vier Tierfiguren befand, aus deren Mäulern Wasser sprudelte. In feinen Tropfen brach sich das Licht zu einem kleinen Regenbogen. Von hier zweigten weitere Wege sternförmig ab. Einer davon führte zu einer Laube. Margarethe hatte sich nicht getäuscht. Genau von dort hörte sie ein perlendes Lachen
»Du traust dich bloß nicht«, spottete Elisabeth.
»Stimmt nicht«, widersprach Johann.
»Ach, und warum machst du’s dann nicht?«
»Weil es gewagt ist.«
»Nicht, wenn ich es erlaube.«
Die turtelnden Stimmen waren unverkennbar. Margarethe seufzte: Da bahnte sich das nächste Drama an, denn diese Liebelei hatte genauso wenig Zukunft wie die zwischen Margot und Sachsenheim. Durch das lichte Laub waren die jungen Leute deutlich zu erkennen. Sie saßen einander gegenüber und hielten sich an den Händen. Elisabeth hatte das Kinn vorgereckt und wartete. Johann betrachtete sie unschlüssig. Dann beugte er sich rasch vor und hauchte der jungen Gräfin einen Kuss auf die Lippen. Genau genommen war es eigentlich eher ein Küsschen, und doch wirkte das Mädchen wie entrückt, bis es fast widerstrebend die Augen öffnete. Margarethe wusste, dass sie nun eigentlich dazwischengehen musste, aber der Anblick war derart entzückend, dass sie es nicht übers Herz brachte.
»Was ist?«, fragte Elisabeth und strich sich eine ihrer glänzenden schwarzen Locken aus dem Gesicht. »Hat’s dir nicht gefallen?«
»Es war überwältigend«, antwortete Johann mit weicher Stimme. »Es war ganz, ganz unglaublich.«
»Warum hast du dann aufgehört?«, fragte sie und bewegte spielerisch die bloßen Zehen. Bella, ihr Hündchen, zerrte an etwas, das es im Gestrüpp gefunden hatte. Es legte den Kopf zur Seite und hüpfte niedlich auf steifen Beinen herum, während es das Ding anknurrte.
»Der hat’s gut«, sagte Johann leise, während sein Blick auf dem Tier ruhte. »Der kann stets bei dir sein, Elisabeth. Tag und Nacht. Ich wär gern er.«
»Das würde mir aber nicht so gut gefallen. Das ist ja bloß ein Hund. Du dagegen …«
»Ja?«
»Du bist … alles, was ich begehre. Ich wünschte, wir könnten für immer zusammenbleiben, aber sie werden’s nicht zulassen.«
»Nein, vermutlich nicht.«
»Es ist so traurig.«
Zeit, die Sache zu beenden, bevor die beiden noch trauriger wurden. Margarethe räusperte sich laut. Hastig sprangen die beiden auf. »Gräfin Elisabeth, Ihr habt die Lateinstunde ganz vergessen«, tadelte sie und trat gemessenen Schrittes in die Laube.
Elisabeth schaute keck, Johann schuldbewusst drein. »Bella ist mir mal wieder davongelaufen«, log die Angesprochene und deutete auf den kleinen Hund.
»Das passiert ein wenig häufig in letzter Zeit. Wir sollten sie für eine Weile Zwingermeister Rudolf geben, damit er ihr Manieren beibringt.«
Elisabeth drückte das Hündchen erschrocken an sich. »Das kommt gar nicht infrage«, widersprach sie. »Am Ende schlägt er sie. Ich werde ab jetzt immer ganz pünktlich sein. Ich versprech’s.«
Margarethe musterte sie scharf. »Dann wollen wir’s dabei belassen. Aber jetzt rasch. Ihr könnt unseren guten Pater nicht länger warten lassen.«
Elisabeth lächelte zufrieden und schaute ihre Gouvernante selbstbewusst aus großen Kulleraugen an.
Margarethe zog die Augenbrauen zusammen. »Vielleicht kann er ein wenig mehr Zeit als üblich für Euch erübrigen, um das Versäumte nachzuholen.«
Die beiden stürmten los. Das Hündchen hüpfte hinterher und ließ sein Spielzeug, ein schmutziges Leinentüchlein, zurück. Margarethe bückte sich, um es aufzuheben. Dass diese jungen Leute aber auch stets ihre Sachen herumliegen ließen! Vorsichtig befreite Margarethe den Stoff von Laub und Erde. Während sie noch darüber nachdachte, ob es sich lohnen würde, das Tüchlein den Wäscherinnen zu übergeben, betrachtete Margarethe es eingehender. Sie fuhr mit dem Zeigefinger über die sorgsam gestickten Initialen und erstarrte. Dieses Tüchlein gehörte gar nicht Elisabeth, denn es waren die Buchstaben MB eingestickt und das Bischishausener Wappen. Das konnte nur eines bedeuten: Margot hatte es verloren.
Langsam ließ sich Margarethe auf die Bank
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