Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
Truchsess auf. Mit hochrotem Kopf stand er vor Margarethe und stieß verzweifelt hervor: »Ich wünschte, das ginge! Bei Gott, was gäbe ich dafür. Aber das Kind darf nicht leben.«
Nun hielt es auch Margarethe nicht mehr auf ihrem Platz. Aufgebracht schrie sie: »Ich hielt Euch stets für einen Ehrenmann, aber was Ihr jetzt vorhabt, ist eine Todsünde. Mit keinem Ablass dieser Welt könnt Ihr Euch dann noch von der Verdammnis freikaufen.«
»Ich bin doch längst verdammt, Margarethe. Das könnt Ihr mir glauben. Aber so wahr mir Gott helfe, ich kann nicht anders.« Mit wehendem Mantel eilte der Truchsess zurück zum Haus, bellte den Kutscher an, Quartier zu machen, und verschwand im Inneren des Gebäudes.
Margarethe fühlte sich furchtbar. Wie konnte Bischishausen so etwas tun? Allein der Gedanke, von Gott gewolltes Leben zu töten, erfüllte sie mit Schaudern. Eine solche Tat blieb nie ungestraft. Auch wenn dieses Wesen noch so klein war, war es doch ein Mensch und besaß eine unsterbliche Seele. Ihm würde ohne Taufe der Weg in den Himmel für ewig verwehrt sein. Wie konnte es Bischishausen verantworten, dies einem Kind von seinem Blut, seinem Enkel anzutun. Der Truchsess würde verflucht sein, verfolgt von diesem Wesen, das in seiner Not als Irrlicht die Wanderer in die Sümpfe lockte. Margarethe verstand es einfach nicht. Dieser Entschluss passte ganz und gar nicht zum Truchsess, zumal auch Margots Leben auf dem Spiel stehen würde.
Margarethe fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und beobachtete, wie der Truchsess in Begleitung der Hebamme zurück auf den Hof trat. Gestenreich redete er auf die Hebamme ein, die entsetzt den Kopf schüttelte. Nun schien Margots Vater ihr zu drohen. Da senkte sie den Kopf, griff fast verärgert nach der Silbermünze, die er in der Hand hielt und ging zu ihrem Maultier. Eine Weile kramte sie in ihrer Satteltasche herum, bis sie eine Phiole gefunden hatte.
Margarethes Magen krampfte sich zusammen. Sie konnte doch nicht tatenlos zusehen, wie sich der Truchsess so schwer versündigte. Mit wehenden Röcken rannte sie zu ihm hinüber und stellte sich vor ihn. »Ich flehe Euch an, Herr. Lasst ab von diesem Vorhaben!«, rief sie.
Die alte Frau schaute hoffend zu dem Adelsherrn auf. Dessen Miene jedoch war unnachgiebig, und mit vor Zorn bebender Stimme grollte er: »Aus dem Weg, Margarethe.«
»Herr, ich bitte Euch. Lasst uns behaupten, es sei mein Kind. Ich werde es in Liebe großziehen. Ihr habt mein Wort.«
Für einen Moment schienen Tränen in den Augen des Truchsessen zu glitzern. Seine Miene wurde weich. »Das würdet Ihr wirklich tun? Ihr würdet Margots Schande auf Euch nehmen?«
Die Rothaarige nickte.
»Ihr seid sehr großmütig, Margarethe. Margot ahnt gar nicht, welch treue Freundin sie in Euch hat. Ich werde einen Weg finden, es Euch zu vergelten.«
Erleichtert atmete die Hofdame auf. Vielleicht war also doch noch nicht alles verloren. Sie sah, wie der Truchsess mit sich kämpfte.
Für einen Moment schien es, als wollte er nicken. Dann aber wurde sein Blick wieder hart. »Es tut mir leid«, meinte er mit fester Stimme. »Ich wünschte, die Dinge lägen anders.« Energisch schob er Margarethe zur Seite und schritt ins Haus. Die Hebamme folgte ihm mit gesenktem Kopf, die Phiole fest umklammert.
Margarethes Brust hob und senkte sich vor Empörung. Sie ballte die Faust und schlug mit aller Macht gegen den grauen Granit, aus dem das Haus gebaut worden war. Der Schmerz fuhr in ihre Hand, sodass sie aufschrie. Langsam folgte sie schließlich den beiden. Die Tür zu Margots Kammer stand offen.
»Trinkt das, Herrin«, meinte die Hebamme mit sanfter Stimme. »Trinkt und dann ruht ein wenig.« Die alte Frau warf dem Truchsess einen vorwurfsvollen Blick zu. Sobald Margots Kopf zurück aufs Kissen gefallen war, verließ sie ohne ein weiteres Wort den Raum. Draußen vor der Tür nahm sie Margarethe am Arm. »Ich habe dem Trank ein wenig Schlafmohn beigemischt, der sie leicht betäuben wird, aber wenn das Gift seine Wirkung entfaltet, wird das junge Ding eine Freundin an seiner Seite bitter nötig haben. Übersteht sie’s, wird sie sehr schwach sein. Lasst Euch also nicht zu früh zum Aufbruch drängen.«
»Wo kann ich Euch finden, wenn wir Euch brauchen?«, wollte Margarethe wissen.
»Gar nicht, und meine Hilfe wird hier auch nicht mehr gefragt sein. Betet zu Gott. Vielleicht ist er gnädig und lässt dieser armen Seele die Zeit, Buße zu tun.« So schnell es ihre
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