Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
schüchterne Magd, blutjung, klopfte und brachte eine Schüssel Hirsebrei und warme Milch. Margarethe nickte dankend, konnte aber keinen Bissen herunterbekommen. Behutsam versuchte sie, Margot wenigstens einen Löffel Milch einzuflößen, aber es war, als wäre jegliche Kraft aus ihrem jungen Körper entwichen. Margarethe blieb kaum mehr übrig, als zu beten. Erst am Abend schien das Schlimmste überstanden. Kurz schlug Margot die Augen auf. Gequält sah sie ihre Freundin an, trank wenige Schlucke Wasser und sank erneut in einen tiefen Schlaf. Margarethe ließ sich einen einfachen Strohsack bringen und wich nicht von Margots Seite.
Der Truchsess kehrte erst am darauffolgenden Sonntag zurück. Er wirkte um Jahrzehnte gealtert, als er die Tür zu ihrer Kammer aufdrückte und Margarethe zu sich nach draußen winkte. Seine Miene war steinern. Nur seine Mundwinkel zuckten leicht, als er zu Margot blickte, die hohlwangig und in sich zusammengesunken in ihrem Bett lag.
»Es ist Zeit aufzubrechen, Margarethe«, meinte er grußlos. »Ich habe Euer Gepäck und auch Trine, Gretchen und Wic mitgebracht sowie ein Empfehlungsschreiben an die Gattin des Herzogs von Bayern-München.«
»Soll das heißen, dass Ihr mich wegschickt, Herr von Bischishausen?« Margarethe schaute zu ihrer Freundin. Sie konnte das Mädchen doch jetzt nicht allein lassen. Es war vollkommen durcheinander, wurde von Albträumen gequält und war immer noch erschreckend schwach. »Was wird aus Margot?«, fragte sie leise.
»Sie wird Euch begleiten.«
»Nach München?«
Der Truchsess schüttelte bedauernd den Kopf und flüsterte: »Bis endgültig geklärt ist, ob der Vogt von Weida in Brüx gefallen ist, werdet Ihr gemeinsam mit Margot auf Burg Grünwald Unterkunft beziehen. Sie wird dort sicher sein.«
Erschrocken sah ihn Margarethe an. »Gibt es Schwierigkeiten mit dem Hofmeister?«
Bischishausens Miene blieb unbewegt. »Die Sache ist noch nicht vorbei. Er hat doch tatsächlich die Dreistigkeit besessen, mich erneut um Margots Hand zu bitten, und seinem Gesichtsausdruck nach möchte ich fast schwören, dass er weiß …« Er unterbrach sich, bevor der Rest des Satzes über seine Lippen kommen konnte. »Gebt acht auf sie. Ich werde monatlich Geld schicken. Die Hälfte behaltet für Euch.«
Margarethe wollte protestieren, doch abwehrend hob er die Hand. »Was Ihr für uns tut, kann mit Gold nicht aufgewogen werden. Das weiß ich wohl, aber ich würde mich noch schlechter fühlen, wenn Ihr es nicht annehmt.«
Widerwillig senkte Margarethe den Kopf.
»Ihr werdet in der Kutsche reisen und von meinen treusten Rittern begleitet.«
Margarethe drückte seine Hand.
»Ich hoffe, Margot wird dort zur Ruhe kommen, und Euch wünsche ich alles Glück dieser Welt«, fügte Bischishausen hinzu.
»Ich hasse dich«, stieß eine zittrige Stimme hervor. Der Truchsess fuhr herum. Margot stand schwankend in der Tür und starrte ihren Vater mit glühenden Augen an. Margarethe ging zu ihr und legte ihr den Arm um die Schultern.
Der Truchsess senkte den Blick. »Ich weiß«, sagte er tonlos und wandte sich ab.
Margot riss sich los. »Wie konntest du mir das bloß antun?«, schrie sie ihm nach.
Erneut trat Margarethe an ihre Seite. »Beruhige dich, bitte, sonst fängst du am Ende wieder an zu bluten.«
Tränen liefen über Margots Wangen. »Ein Mörder ist er, nichts anderes als ein Mörder. Ich verabscheue ihn und überhaupt alle Männer.«
Margarethe schluckte schwer. Dann führte sie ihre Freundin in die Hütte zurück, um sie für die Reise zurechtzumachen. Es sollte lange dauern, bis sie den Truchsess wiedersehen würden.
G RÜNWALD 1421
K APITEL 1
Jan stand nachdenklich mit dem Rücken zum Fenster der Alten Veste, jener Münchner Stadtburg, in der seit jeher der Haushalt des herzoglichen Erbprinzen seinen Wohnsitz bezog, während sein Vater, der Herzog, getrennt von seinem Sohn in einem moderneren Schloss residierte, der Neuen Veste. Ihm gegenüber saß Albrecht und hielt die Laute in den Händen. Seine Gedanken schienen in weiter Ferne zu sein. Jan musterte das Gesicht seines Freundes. Seit jener Nacht, in der der kleine Junge hatte sterben müssen, war ihre jugendliche Unbekümmertheit mit einem Schlag verschwunden. So manches Scharmützel hatten sie seither Seite an Seite geschlagen. Jan und Albrecht wussten, was sie dem Schwertarm des jeweils anderen verdankten. Aus ihnen waren Waffenbrüder geworden, und das hatte das Band ihrer Freundschaft noch
Weitere Kostenlose Bücher