Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
nahm das Schmuckstück entgegen. Eine Weile betrachtete sie es, ohne ein Wort zu sagen.
»Erinnerst du dich nicht mehr? Sie war dir heruntergefallen und kaputtgegangen«, half ihr der junge Mann auf die Sprünge. »Ich versprach, sie beim Schmied reparieren zu lassen und sie dir zurückzugeben. Leider bist du zuvor abgereist, aber ich habe die Spange stets bei mir getragen, in der Hoffnung, sie dir irgendwann wiedergeben zu können.«
Margots Augen weiteten sich. Das klang wie eine Geschichte aus einem anderen Leben. Dann erinnerte sie sich. »Das war damals in Prag, als wir auf dem Flur zusammengestoßen sind?«, flüsterte sie fragend.
»Richtig.« Der junge Mann strahlte. »Also hast du’s auch nicht vergessen.«
»So lange also trägst du meine Spange schon bei dir?«, wunderte sich das Mädchen selbstvergessen und überlegte, wie es das Gespräch rasch beenden konnte, ohne unfreundlich zu wirken.
»Ich habe nie die Hoffnung aufgegeben, eines Tages meine Ungeschicklichkeit wiedergutmachen zu können. Leider ergab sich in Stuttgart keine Gelegenheit dazu.«
Sein Blick wanderte zu ihrer Rechten und Margot wurde blass bei dem Gedanken, dass er nach einem Ring Ausschau hielt. Natürlich: Auch ihm waren die Gerüchte um sie und den Hofmeister zu Ohren gekommen. Ihr wurde plötzlich so schwindlig, dass sie sich wieder gegen den Baumstamm lehnen musste.
Sepi sah es und blickte besorgt. »Du wirkst blass. Die Hitze des Tages womöglich? Darf ich dir meinen Arm anbieten und dich hinüber zur Kutsche begleiten?«
Eigentlich hätte sie ihm lieber einen Korb gegeben, doch sie hatte das Gefühl, keine Sekunde länger hier mit ihm sitzen und reden zu können, und von Margarethe war weit und breit nichts zu sehen. Also nickte sie. Sepi legte behutsam seinen Arm um ihre Hüfte und half ihr auf die Beine. Die Schwäche erfasste sie erneut, und sie musste sich an seiner Schulter abstützen.
»Geht es?« Sepi sah das Mädchen mitfühlend an.
»Ich denke, den Rest schaffe ich allein«, versuchte es Margot tapfer. Hastig streifte sie Sepis Arm ab, doch schon begann sich die Welt wieder um sie zu drehen. Energisch fasste der junge Mann das Mädchen erneut unter und brachte es zur Kutsche.
Margarethe bekam einen Riesenschreck, als sie hinter der Kutsche hervortrat, wo sie gerade dem Kutscher Anweisungen für die Weiterfahrt gegeben hatte. Fast wäre ihr Margot leichenblass in die Arme gefallen, hätte sie nicht jener lange Kerl gestützt, der sich vorhin mit dem Oberst gestritten hatte. Ohne weiter nachzufragen, schob Margarethe ihre Freundin in die Kutsche und breitete eine leichte Sommerdecke über ihre Beine. »Mach es dir bequem, meine Kleine«, sagte sie. »Es geht gleich weiter.«
Margot nickte und schloss erschöpft die Augen.
Am liebsten wäre Margarethe nicht von ihrer Seite gewichen, doch da draußen stand vermutlich noch der junge Mann, der dem Mädchen geholfen hatte, und sie wollte sich bei ihm bedanken.
»Ich komme gleich wieder«, flüsterte sie, erhielt aber keine Antwort. Margot hielt die Augen fest geschlossen. Behutsam schloss die Hofdame die Tür der Kutsche und sah sich um.
Der jungen Mann stand mit dem Rücken zu ihr und gab gerade einem Knecht Anweisung, die Kissen und Decken wieder zurück in die Kutsche zu räumen.
Margarethe trat vor ihn hin und sagte: »Ich danke Euch, Herr, das Ihr meiner Freundin geholfen habt.« Dann wurden ihre Augen groß. »Sepi, ist es die Möglichkeit? Erst sehen wir uns jahrelang nicht und dann treffen wir uns gleich zum zweiten Mal.«
Der junge Mann verneigte sich höflich. »Man könnte meinen, das Schicksal habe eine Aufgabe für uns, die wir nur gemeinsam vollbringen können, Frau Margarethe.«
»Nun, solange du mich nicht überreden willst, mich als Amazone bei den Hussiten anwerben zu lassen, will ich der Sache ruhigen Auges entgegensehen.«
»Nichts läge mir ferner, dennoch gibt es viele Arten, Freiheit und Gerechtigkeit zu dienen.«
»Wessen Freiheit?«, fragte Margarethe.
»Die von jedermann, und in einem Fall scheint es Euch ebenfalls gelungen zu sein.«
Margarethe zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Nun, wider Erwarten trägt das Fräulein Margot keinen Ring am Finger. Sie ist also der Ehe mit dem Herrn Hofmeister entkommen, nehme ich an.«
Ihre Miene verdüsterte sich. »Das ist kein Thema für die Straße!«
Er neigte den Kopf als Zeichen, dass er verstanden hatte, flüsterte jedoch so leise, dass nur sie es hören konnte: »Aber ein Grund zur
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