Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
Küche hinunter und mir einen Ziegelstein holen, um mir die Füße ein wenig zu wärmen.«
Jan zog sein Schwert aus einem Spalt zwischen zwei Dielenbrettern, wo es noch immer leicht schwingend steckte. »Na dann, entschuldige noch mal.«
»Ich muss um Verzeihung bitten, weil ich dich geweckt habe.«
»Ist nicht schlimm.« Er drehte sich um und legte die Hand an die Tür. Für einen winzigen Augenblick zögerte er. Margarethes Lippen öffneten sich, um seinen Namen auszusprechen. Doch dies gelang ihr erst, nachdem er wieder in seiner Kammer verschwunden war, und selbst da war es kaum mehr als ein Flüstern.
Mit einem Mal wurde ihr bewusst, wie kalt es war. Margarethe zog den Mantel wieder fester um sich und kletterte die Stiege hinunter. Die Küche war verlassen. Der große Kessel stand mitten im Raum und war so blank, als wäre er mit dem Zeigefinger ausgeschleckt worden. Margarethe glaubte, zwei fette Ratten davonhuschen zu sehen. In der Herdstelle war noch ordentlich Glut. Die Hofdame sah sich nach Steinen um, die sie hineinwerfen konnte, doch die schienen alle in Gebrauch. Mürrisch ging sie zur Tür. Draußen in der Scheune würde sie gewiss noch Ziegel finden. Der schwere Riegel ließ sich leicht bewegen, und die kalte Nachtluft drang augenblicklich in den Raum.
Nachdem Margarethe die Küchentür wieder behutsam geschlossen hatte, stampfte sie fröstelnd durch die Dunkelheit. Plötzlich horchte sie auf. Im Stall war Unruhe. Die Pferde stampften laut und schnaubten, als hätte sich eines von ihnen losgerissen. Hoffentlich gab es dort keine Keilerei. Wie schnell konnten sich die Pferde dabei gegenseitig verletzen, doch für ihre Reise waren sie auf gesunde Tiere angewiesen. Einen Augenblick zögerte Margarethe. Eigentlich sollte einer ihrer jungen Ritter Wache halten. Doch vielleicht war er ins Innere des Hauses gegangen, um sich aufzuwärmen. Ob sie warten oder ihn holen sollte? Andererseits galt es, rasch zu handeln. Wenn die jungen Hengste erst einmal aneinandergerieten, konnte sich schnell eine heftige Beißerei entwickeln.
Ein lautes Krachen gab den Ausschlag, und Margarethe beschloss, selbst hinüberzugehen und für Ordnung zu sorgen. Morgen früh aber würde sie dem jungen Ritter den Kopf waschen. Es war unverantwortlich, die Tiere ohne Aufsicht zu lassen. Eiligen Schrittes überquerte Margarethe den Hof und öffnete die Tür des kleinen Holzverschlags. Drinnen war es stockfinster. Sie blinzelte, um besser sehen zu können.
In diesem Moment sagte jemand: »Da ist sie!« Gleichzeitig löste sich ein Schatten von der Wand.
Margarethe fingerte nach dem Dolch, den ihr Jan überlassen hatte, aber sie hatte ihn unterm Kopfkissen vergessen. Verdammt, fluchte sie leise und versuchte, ihr Heil in der Flucht zu suchen. Doch es war zu spät, schon wurde sie gepackt. Kurz gelang es ihr, um Hilfe zu rufen, doch der Mann war kräftig und stieß sie zu Boden. Mit einer Hand packte er sie an der Kehle und drückte zu. In diesem Moment war sich Margarethe sicher, die Begegnung nicht zu überleben. Noch einmal versuchte sie zu schreien, doch aus ihrem Mund kam nicht mehr als ein gurgelnder Laut. Eine behandschuhte Hand packte sie bei den Haaren. Dann schwanden ihr die Sinne.
Sepi hatte nicht erwartet, die Abnehmer seiner Waren so früh anzutreffen. Unvermutet tauchten sie plötzlich aus dem dichten Buschwerk des überwucherten Trampelpfades auf. Der junge Kaufmann machte den Waffenknechten ein Zeichen, sich ruhig zu verhalten, und lenkte sein Pferd auf den Anführer zu, einem furchterregend anzusehenden Burschen, dessen wirres, von grauen Strähnen durchzogenes Haar im eisigen Wind flatterte. Im bleichen Licht der Herbstsonne wirkten seine Augen wie Kohlen und seine ausgestreckten Hände wie die Tatzen eines aufgerichteten Bären. Seinen richtigen Namen kannte Sepi nicht, aber man sagte, er wäre in seinem früheren Leben Köhler gewesen. »Grüß dich, Thomek. So weit im Bayernland? Hast du die blau-weiße Grenzbeflaggung übersehen?«
Der Riese war zu solcherlei Scherzen nicht aufgelegt und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Was schert den Ostwind die Farbe eines Fetzen aufgespießten Stoffes.« Er ballte die riesigen Fäuste und kam zum Geschäft. »Habt Ihr unsere Lieferung dabei?«
»Wäre ich sonst hier? Doch lass uns das nicht hier besprechen, wo zu viele Ohren von Dingen hören, die niemand wissen muss.« Sepi stieg ab und nahm Thomek am Arm. Zu den anderen sagte er: »Wir rasten für ein paar
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