Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
abgerichtet. Margarethe tippte bei dem Reiter auf eben jenen Plackerer, vor dem sie ihr vermeintlicher Reiseführer gewarnt hatte.
Jetzt parierte er sein Pferd und machte ein Zeichen zu seinen beiden Helfershelfern.
»Nehmt ihr den Knebel ab«, befahl er.
Angeekelt spuckte Margarethe das Tuch zu Boden und hätte sich am liebsten daneben gelegt.
»Eine kurze Rast, bitte.« Margarethe stöhnte.
Sie erhielt keine Antwort. Stattdessen trieb der Ritter sein Reittier wieder an. Mit zusammengebissenen Zähnen folgte ihm Margarethe. Es ging steil den Berg herauf. Der Boden war glatt. Immer wieder rutschte die junge Frau aus. Oben angekommen waren ihre Kräfte aufgebraucht. Margarethe schwindelte es, und sie ließ sich fallen. Fluchend hielt der Plackerer an. Er sah zu, wie die beiden Männer seine Gefangene mit ihren Stangen traktierten, doch diesmal blieben die Hiebe ohne die erhoffte Wirkung.
»Ich kann nicht mehr, bitte!«, bettelte sie, nachdem die Männer endlich von ihr abgelassen hatten. Mühsam zog sie ein Tüchlein aus ihrer Rocktasche und hielt es sich vor die blutige Nase.
»Aufs Pferd mit ihr!«, gab der Ritter schließlich nach. Seine Leute hievten Margarethe hinter ihm in den Sattel. Das Taschentuch glitt aus ihren Fingern und fiel zu Boden.
Gleich danach bogen sie vom Weg ab und drängten ins Unterholz. Die Äste schlossen sich hinter ihnen. Margarethe ließ alle Hoffnung fahren. Wo ein Weg war, verkehrten normalerweise auch Menschen, und vielleicht hätte sich jemand an ihr rotes Haar erinnert, wenn man einen Suchtrupp nach ihr ausschickte. Hier aber – mitten im Wald – würden sie höchstens einem Rudel Wölfe begegnen. »Wenn doch wenigstens Jan bei mir wäre«, dachte sie und wunderte sich im selben Moment, dass dieses Ansinnen nicht Albrecht oder Trine gegolten hatte. Das Gefühl, wie er sie letzte Nacht in seinem Arm gehalten hatte, war plötzlich wieder da. Sie schloss die Augen und glaubte fast, Jans Geruch in der Nase zu haben. Unvermittelt füllten sich ihre Augen mit Tränen. Möglicherweise war diese Erinnerung ihre letzte an ihn. Ein tiefer Schmerz fuhr in ihre Brust und entlud sich in einem Wimmern. Dann aber biss Margarethe die Zähne zusammen. Nein. Sie durfte die Hoffnung nicht aufgeben. Jan war nicht der Mann, der sich im Schlaf einfach die Kehle durchschneiden ließ. Er war am Leben, und er würde nicht eher ruhen, bis er sie gefunden hatte. Sie blinzelte die Tränen weg und bemerkte, dass das Pferd angehalten hatte.
Der Ritter saß ab. »He, du da, verwisch unsere Spuren!«, bellte er den Führer an. Der Mann beeilte sich, ihm zu gehorchen. Unter den kritischen Blicken des Ritters schnitt er ein paar Ästen ab, band sie zu einer Art Reisigbesen zusammen und fegte frisches Laub über die Hufabdrücke der Pferde.
Schließlich wurde Margarethe vom Pferd geholt. Sie war so erschöpft, dass ihr die Beine wegsackten. Der Ritter musterte sie eingehend, trotzig erwiderte sie seinen Blick. Er war schon etwas älter und seine Haut dunkel wie gegerbtes Leder und von tiefen Falten durchzogen.
Amüsiert zog er die Brauen zusammen. Ganz offensichtlich war er es gewohnt, verabscheut zu werden. »Eine richtige kleine Wildkatze«, spottete er.
Margarethe hielt die Luft an, als er sie mit geübtem Griff um die Taille packte und hochhob, als wöge sie nicht mehr als eine Feder. Er stellte sie auf die Füße. Im nächsten Augenblick fühlte sie seine Hände an ihrem Gesäß.
»Du bist ein ansehnliches Weibsstück«, sagte er und gab ihr einen Klaps. »Kein Wunder, dass du jede Menge Verehrer hast.« Seine Hände umschlossen ihre Schultern, den Rücken, ihre Hüften, den Busen. Dann gingen sie tiefer. Margarethe schloss die Augen. Halt es aus, befahl sie sich. Zeig keine Angst. Für den bist du nicht mehr als ein Pferd, von dem er den Wert abschätzt. Er wird dir nichts tun, denn unversehrt bist du wertvoller. Die anderen beiden Galgenvögel grinsten unverschämt und machten eine obszöne Handbewegung.
Plötzlich stieß der Mann sie unsanft fort. »Scheinst das ja richtig zu genießen, Metze!«, blaffte er sie an und ging dann zu seinem Pferd zurück.
Der Wald drehte sich vor Margarethes Augen. Was war passiert? Dann verstand sie. Der Kerl hatte nach Wertsachen gesucht. Viele Frauen verbargen ihren Schmuck in ihrer Wäsche. Ein heißer Schauer jagte der Hofdame über den Rücken, denn im Saum ihres Rockes eingenäht trug sie noch immer die Perlen des Herzogs bei sich. Konnte es sein, dass der
Weitere Kostenlose Bücher