Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
Pferde drehten die Köpfe und stampften unruhig. Von den jungen Rittern war nichts zu sehen. Die Zofe nahm ihren ganzen Mut zusammen und ging hinein. Sie fürchtete schon auf blutige Leichen zu stoßen, da fiel ihr eine Bewegung im Heu auf. Etwas regte sich unter den Halmen. Trine schluckte. Dann jedoch griff sie eine Mistgabel, ging hinüber und stach vorsichtig hinein. Ein gedämpfter Schmerzenslaut war zu hören. Hastig fegte sie das Heu zur Seite und fand zwei gefesselte und geknebelte Männer vor. Jan Sedlics Männer. Jeder von ihnen hatte eine ordentliche Beule am Kopf, doch sonst waren sie unversehrt.
Mit zwei Schritten war Trine bei ihnen, schnappte sich ein Messer und befreite sie. »Ihr sollt sofort zu dem Herrn Sedlic. Ich fürchte, es wird eine ziemliche Standpauke geben.«
Während Jan sein Kettenhemd anlegte, versuchte er, die Ereignisse zu ordnen. Heute Nacht war er Margarethe begegnet. Und für einen kurzen Moment waren sie sich so nahegekommen wie noch nie zuvor … Jan zwang sich zur Konzentration. Margarethe hatte in die Küche gewollt, er musste also den Wirt fragen. Mit dem Schwert am Gurt begab er sich nach unten, doch da war niemand. Eilig durchkämmte der Ritter sämtliche Räume. Ohne Erfolg. Entweder hatte man ihn fortgeschleppt, oder der Lump steckte mit dem Pack unter einer Decke und hielt sich nun versteckt.
Jan fluchte und rannte zurück in Margarethes Kammer. Ihre Sachen waren bis auf Cotte, Schuhe und Mantel, die sie in der Nacht zuvor getragen hatte, noch alle da. Es sah ganz so aus, als wäre sie nach ihrer Begegnung nicht mehr hierher zurückgekehrt. Kein Zweifel, sie war entführt worden, aber warum hatte man ihn selbst und Trine verschont? Augenblicklich musste Jan an die Perlen denken, die seine Freundin im Rocksaum versteckt hatte. Aber wie hätte jemand davon wissen können? Nicht einmal seine beiden Begleiter kannten das Versteck des Lösegeldes. Und überhaupt, wo steckten die bloß?
Genau in diesem Moment kamen ihm zwei über und über mit Staub bedeckte Gestalten entgegen, die sich im Laufen noch das Heu aus Wams und Hose klopften.
»Herr Sedlic, uns wurde übel mitgespielt«, erklärte der eine sofort und deutete auf eine große Platzwunde am Hinterkopf. Dann berichtete er, wie man ihn im Schlaf überrumpelt, niedergeknüppelt und gefesselt hatte. Angeblich waren es mindestens drei finstere Gestalten mit geschwärzten Gesichtern gewesen. Der andere junge Bayer, der in nicht ganz so übler Verfassung war, erinnerte sich, dass die Männer Frau Margarethes Namen geflüstert hatten und mit den blanken Dolchen in der Hand hinüber in ihre Schlafkammer gehen wollten. Dann jedoch habe sich plötzlich die Tür zum Stall geöffnet und jemand habe gerufen: »Das ist sie.« Anschließend habe es ein kurzes Gerangel mit Margarethe gegeben. Der junge Ritter war sich sicher, dass Frau Margarethe noch lebte, als man sie fortschleppte.
»Haben sie sonst noch etwas gesagt?«, hakte Jan nach.
Der junge Bayer schüttelte den Kopf. »Nein, Herr Sedlic.«
»In welcher Sprache haben sie geredet? Waren es Bayern? Passauer? Böhmen?«
»Böhmen aus dem Grenzland waren’s, da bin ich mir ganz sicher, denn meine Tante stammt von dort und ich habe die ersten Jahre meines Lebens dort verbracht.«
Jans Lippen zitterten vor Erregung. Er trat derart heftig gegen die Tür, dass sie mit einem lauten Knall gegen die Wand flog, und rannte nach draußen. Aufmerksam untersuchte er den immer noch halb gefrorenen Boden. Hühner kratzten in der schmutzigen Pampe. Es gab so viele Fußspuren, dass es unmöglich war, zu entscheiden, welche von Margarethe stammten. Grübelnd stand Jan in der Kälte. Sie waren einem Schlepper aufgesessen, der sie in die Falle gelockt hatte. Das war klar. Aber wie war er auf sie aufmerksam geworden? Er hatte seinen Begleitern verboten, auch nur ein Wort über das Lösegeld zu verlieren. Sie mochten jung und unerfahren sein, aber an diese Anweisung hatten sie sich ganz gewiss gehalten. Zudem wussten sie gar nicht, dass Margarethe die Perlen bei sich trug, und jeder andere hätte vermutet, dass man die wertvolle Fracht beim Anführer, also bei Jan, suchen müsste. Die Räuber hatten es jedoch exakt auf Margarethe abgesehen gehabt. Man hatte sich ja nicht einmal die Mühe gemacht, ihr Zimmer zu durchsuchen.
Jan dachte an den Brief und den darin enthaltenen Rat des Vogts, die Perlen stets bei sich zu tragen. Ein schlimmer Verdacht keimte in ihm auf. »Weida, du Hund!«,
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