Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
Hof zu machen, doch das Strahlen seiner Augen verriet ihn.
Margarethes Sehnsucht wuchs mit jedem Tag und ließ sie stöhnen und jauchzen zugleich. Das Bedürfnis, sich erneut mit ihm zu treffen, ihn berühren und in die Arme nehmen zu können, war so groß, dass sie manchmal glaubte, es nicht mehr auszuhalten. Doch irgendwie schien stets etwas dazwischenzukommen, wenn sie sich verabredeten, oder sie waren nicht allein, wenn sie sich wie zufällig trafen. Fast schien es ihr so, als würde jemand sie gezielt voneinander fernhalten. Margarethe hatte den Vogt in Verdacht. Schließlich hatte er vor Eifersucht geglüht, als er Margarethe mit Albrecht hatte ziehen lassen müssen. Oder war es gar die Königin selbst? Ahnte Sophie etwa, dass ihren Neffen inzwischen mehr mit ihrer Hofdame verband, als es sich gehörte? Doch das war eigentlich nicht möglich. Niemand wusste davon, nicht einmal Jan.
Trotz aller Unsicherheit fühlte Margarethe sich wie im Rausch und strahlte derart vor Glück, dass es sogar Außenstehenden auffiel. Diese jedoch schoben es auf Margarethes Freude über die geplante Hochzeit mit Heinrich von Weida. Der hielt sich in letzter Zeit angenehm zurück und beschränkte sich darauf, ein galanter Tischherr zu sein. Es verkniff sich Anzüglichkeiten und behandelte sie äußerst zuvorkommend. Margarethe kam zu der Ansicht, dass die Königin ihn entweder gebeten hatte, seine Annäherungsversuche zu unterlassen, oder dass die regelmäßigen Besuche in der Badstube Früchte trugen. Im Grunde war es der Rothaarigen auch egal, was der Grund war. Hauptsache, er beließ es dabei.
Viel Zeit verbrachte Margarethe bei dem Falkenküken. Gleich am Tag nach ihrem Ausflug hatte sie sich zum Hradschin aufgemacht, um ihren Schützling zu besuchen. Anfangs hatte es so ausgesehen, als würde sie das Tier verlieren, doch inzwischen hatte sich der Jungvogel von dem Schrecken erholt.
Der Falkner, dem Jan den Vogel übergeben hatte, war ein alter Ritter, der schon unter König Wenzels Vater gedient hatte. Und wenn auch die Falkenjagd in letzter Zeit etwas aus der Mode kam, genoss Meister Karl doch höchstes Ansehen. Er war weit über Böhmens Grenzen hinaus für seine Kunstfertigkeit im Umgang mit den wertvollen Vögeln bekannt. Allerdings hatte er ein knurriges Wesen. Von den Adelsherren hatten nur wenige Lust darauf, längere Zeit in seiner Gesellschaft zu verbringen. Die meisten von ihnen hatten ohnehin wenig Interesse an den Vögeln, die für sie nur ein einfacher Zeitvertreib waren. Mit dieser Einstellung gerieten sie bei Meister Karl an den Falschen. Brüsk wies er sie aus der Falknerei und empfahl ihnen die Jagd mit der Hundemeute oder, wie es neuerdings immer beliebter wurde, mit der Armbrust. Seine unzugängliche Art machte ihn auch bei den Damen recht unbeliebt, weshalb kaum je eine den Wunsch verspürte, sich einen Jagdfalken zu leihen. Dem alten Griesgram war das gerade recht. Er war ohnehin am liebsten allein mit seinen Jagdvögeln. Das hatte auch Margarethe zu spüren bekommen. Durch ihr Kletterabenteuer war sie stolze Besitzerin eines eigenen Vogels geworden und wild entschlossen, ihn auch auszubilden, aber dazu brauchte sie die Hilfe des brummigen Meisters.
Als Margarethe nach dem kurzen Ritt zum Hradschin dem Graubart gegenüberstand, dessen Gesicht zerfurcht und vernarbt war wie die Borke einer alten Eiche, und er sie missmutig anblickte, schmolz ihr Selbstbewusstsein dahin.
»Ihr also!«, bellte er los und sah sie so finster an, als müsste sie sich dafür schämen, das Küken aus dem Felsen geholt zu haben. »Hab schon von Eurem Abenteuer gehört. Der halbe Hof spricht ja davon – Margarethe, die Falknerin. Pah! Um das zu werden, braucht’s schon ein bisschen mehr als Kletterkünste.«
»Wie meint Ihr das?«, fragte Margarethe, ohne nachzudenken, und tappte damit sofort in seine Falle.
»Das liegt doch auf der Hand: Eindruck wolltet Ihr schinden beim Wittelsbacher, und jetzt soll ich mich um das arme Wesen kümmern.«
»Wenn’s das ist, was Euch Kummer bereitet, seid unbesorgt. Das werd ich selbst übernehmen.«
»Ihr? Dann schlagt ihm lieber gleich den Kopf ab. Der arme Vogel, Ihr habt ja gar keine Ahnung, wie das geht.«
»Ihr könnt’s mir ja beibringen.«
»Perlen vor die Säue geschmissen. Um mit einem Falken umzugehen, ich meine, ihn wirklich abzurichten, braucht’s jahrelange Erfahrung. Euch hab ich hier noch kein einziges Mal gesehen, bis Ihr mir jetzt mit dem Vögelchen angekommen
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