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Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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ein an einer Schnur befestigter Federbusch lag. Davor standen zwei Hocker. Das Feuer glomm tiefrot und spendete angenehme Wärme. Meister Karl schloss rasch die Tür und entzündete einen Kienspan. Ächzend schälte er sich aus dem Mantel. Sofort protestierte der Jungvogel lautstark und begann, aufgeregt im Leibtuch zu zappeln. So behutsam, wie es Margarethe dem alten Raubein kaum zugetraut hatte, setzte er ihn in einen geflochtenen Weidenkorb, der mit ungewaschener Schafswolle ausgelegt war.
    »Nun, Waldeckerin«, meinte der Falkner, und Margarethe war überrascht, dass er ihren Namen kannte, »wollen einmal sehen, ob Ihr mehr könnt als nur die Hüften schwingen. Schafft Ihr es, dass das Küken Nahrung von Euch nimmt, werdet Ihr keinen treueren Gefährten haben für die nächsten zwanzig Jahre.«
    »So lange lebt ein Falke?«, fragte Margarethe erstaunt.
    »Fast ein halbes Menschenleben«, bestätigte der Falkenmeister ernst. »Und ein gar erstaunlicher Vogel ist der Falke, schneller als jedes Pferd, und seine Krallen setzt er geschickter ein als die Klöpplerin ihr Werkzeug.« Er deutete auf die Kratzspuren in Margarethes Gesicht. »Habt ja bereits Bekanntschaft mit ihnen gemacht.«
    »Dann seid Ihr ein außergewöhnlich mutiger Mann, Meister Karl, denn Ihr verbringt all Eure Zeit mit den Vögeln.«
    Zu ihrem größten Erstaunen erntete Margarethe auf ihre bissige Bemerkung Gelächter.
    »Und mir scheint’s, als hättet Ihr und dieser Vogel die große Klappe gemeinsam. Nun, dann wollen wir mal sehen, wie Ihr es anstellt, dass er sie auch öffnet.«
    Voller Optimismus griff die junge Hofdame in den Eimer. Falls der Alte glaubte, sie würde sich immer noch ekeln, hatte er sich geschnitten. Schon baumelte ein toter Vogel in ihrer Hand. Vorsichtig hielt Margarethe dem Küken das tote Tier vor den Schnabel, doch dieses machte lediglich einen erschrockenen Satz zurück. Meister Karl zog sich den Schemel vor den Kamin und machte es sich darauf bequem. Seelenruhig zog er sich die Stiefel aus. Dann ließ er genüsslich die Zehen knacken.
    So sicher bist du deiner Sache, alter Mistkerl, fluchte Margarethe in Gedanken. Gäbe es nur die geringste Chance, dass der Falke das Hühnerküken fraß, hätte der alte Kauz zumindest zu ihr hingesehen. Margarethe angelte nach einem weiteren toten Tier und versuchte es erneut. Das Resultat war das Gleiche. Kaum näherte sie sich mit dem Futter, ergriff der Falke die Flucht. Vielleicht war das Futtertier einfach zu groß oder zu furchteinflößend? Margarethe sah sich um. Sie brauchte etwas zum Schneiden. In der Waschschüssel schwamm ein Messer, und das Wasser war von roten Schlieren durchzogen. Ohne Zweifel schnitt der Falkner hier Futter klein. Mit angewidertem Gesichtsausdruck fischte die junge Frau das Messer aus der Schüssel und legte das Küken vor sich auf den Tisch. Sie schluckte und sprach sich in Gedanken Mut zu: Los Margarethe, gib dir einen Ruck. Es ist schon tot und spürt nichts mehr!
    Sie schloss die Augen. Mit lautem Knall fuhr das Messer herunter, nur knapp an ihren Fingern vorbei. Meister Karl zuckte zusammen und drehte sich um. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Rasch wandte er sich wieder dem Feuer zu, aber als er hörte, wie Margarethe das Eintagsküken weiter zerstückelte, konnte er es doch nicht lassen, hin und wieder einen Blick über die Schulter zu werfen.
    Beim nächsten Versuch bot die junge Frau dem Vogel kleine Streifen Futter an. Der reagierte zwar nicht mehr panisch wie zuvor, sperrte den Schnabel aber dennoch nicht auf. Von Betteln oder gar hastigem Zupacken, wie es bei den anderen beiden Jungtieren der Fall gewesen war, konnte keine Rede sein. Margarethe versuchte es mit freundlichem Zureden, mit Locken, mit Schimpfen. Sie kniete sich vor den Vogel, legte sich sogar auf den Boden, doch ohne Erfolg. Das Jungtier verweigerte das Futter. Irgendwann gab sie auf und warf das Fleischstück dem Vogel enttäuscht in den Korb. Was auch immer der Trick war, sie hatte ihn nicht herausgefunden.
    Sie ging zur Waschschüssel hinüber, um ihre Hände zu säubern. Sie hatte ihr Glück versucht, doch es hatte nicht sollen sein.
    Meister Karls Augen blitzten triumphierend. Gemächlich wandte er sich zu dem Jungvogel um, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber im selben Augenblick wieder. Ein Ausdruck des Erstaunens lag auf seinem Gesicht, als er murmelte: »Das gibt’s doch nicht.«
    Nun drehte sich auch Margarethe herum und bekam große Augen. Der

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