Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
Albrecht war sein Freund, aber was er jetzt sagte und plante, entsprang ohne Zweifel dem verwirrten Geist eines verliebten Gockels. Es gab keinen Grund, weshalb die Königin ihre Pläne in Bezug auf Margarethe und den Vogt ändern sollte, und der Vogt selbst wollte das schon dreimal nicht. Margarethes einzige Möglichkeit, der Hochzeit zu entkommen, war, wenn sie gegen den Willen der Königin Prag verließ. Aber sie auch noch gegen den Willen von Herzog Ernst nach München zu bringen und sie dort, einer Konkubine gleich, in der Neuen Veste unterzubringen, war ein Fehler mit nicht wiedergutzumachenden Folgen. Jan wusste nicht, was er tun sollte. Als Freund und Gefolgsmann war er Albrecht verpflichtet, aber würde er dabei zusehen können, wie der Herzogssohn Margarethe ins Unglück stürzte?
K APITEL 8
Das Wetter glich Jans Laune auf verblüffende Weise. Grauer, kalter Nieselregen hielt sich hartnäckig und verwandelte die Straßen Prags in Schlammpisten, während der Stadtpalast vor Dreck und stinkendem Pferdemist überquoll.
Am Freitag klarte es ein wenig auf, doch was Margarethe betraf, gab es noch immer keine Neuigkeiten: Weder hatte die Königin ihre Pläne revidiert, noch schien der Vogt seine Absichten zu ändern. Albrecht trieb die Vorbereitungen für seine Abreise voran, die er für den Wochenanfang ins Auge gefasst hatte. Ein Gespräch mit seiner Tante hatte er aber bislang vermieden. Stattdessen schien der Herzogssohn darauf zu vertrauen, dass sich wie von selbst doch noch alles zum Guten wenden würde.
Dieses Verhalten machte Jan rasend und trieb ihn dazu, genau das zu tun, was er eigentlich nie hatte tun wollen: Er durchstöberte Albrechts Schreibtischschublade und fand darin Margarethes Briefe. Obwohl er sich dafür hasste, konnte Jan nicht wiederstehen, in ihnen zu lesen. Es war, als würde ihm mit jedem Satz der Boden unter den Füßen weggezogen. Bislang war er immer davon ausgegangen, Albrecht sei die treibende Kraft in der Beziehung. Doch schon nach den ersten Zeilen wusste er, dass er sich etwas vorgemacht hatte: Margarethe war bis über beide Ohren in Albrecht verliebt, daran bestand kein Zweifel. Hastig legte Jan die Briefe wieder an ihren Platz zurück und stürmte hinaus ins Freie. Er verlangte sein Pferd und jagte mit ihm über die Moldauauen, bis es vor Schweiß triefend und mit bebenden Flanken stehen blieb. Wie ein Schlosshund schluchzend ließ er sich vom Pferd fallen und schrie, bis ihm die Luft wegblieb. Doch der Schmerz und die brennende Eifersucht blieben.
Nachdem er sich wieder halbwegs gefasst hatte, stürzte er sich in die Arbeit. Der Hofmarschall hatte ihn damit betraut, dringend notwendige Bauarbeiten an der Ostmauer zu überwachen, wo der Frost Risse ins Gemäuer getrieben hatte. Der König hatte Maurer und Steinmetze aus der Stadt kommen lassen, die sich darum kümmern sollten. Zu Jans Aufgaben zählte es, dafür zu sorgen, dass der Mörtel taugte und nicht zu viel Sand beigemischt wurde. Aber es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Stattdessen zog es ihn zum Pferdestall, wo er Margarethe zu treffen hoffte, die täglich zur Falknerei ritt. Er sah sie fast jedes Mal, und es tat ihm entsetzlich weh.
Mit einem Mal schien sie so unerreichbar, und dabei begehrte er sie mehr denn je. Zudem fehlte ihm der Mut, sie anzusprechen. Was hätte er ihr auch sagen sollen? Dass Albrecht sie unglücklich machen würde, weil er nun einmal der zukünftige Herzog von Bayern-München war und nicht aus seiner ihm zugedachten Rolle heraus konnte? Sie würde ihm gewiss nicht glauben, dass sie sich mit dieser unsinnigen Liebelei nichts als Ärger einhandelte und sich womöglich ihr ganzes Leben verpfuschte. Eine Konkubine des Herzogs! Da wäre es tatsächlich besser, sie würde den Vogt heiraten. Margarethe würde ihn dafür verachten, trotzdem war Jan überzeugt, dass er sie zumindest warnen müsse. Jan beobachtete, wie die junge Hofdame im Mantel und mit hochgeschlagener Kapuze zum Stall eilte. Er hatte sich nun schon tausendmal seine Worte zurechtgelegt, und heute würde er Margarethe ansprechen. Falls sie ihn danach keines Blickes mehr würdigte – gut. Aber zumindest hätte er sein Möglichstes getan, das Unglück zu verhindern. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen. Entschlossen überquerte er den Hof, doch als er ihr gegenüberstand, fühlte er sich wie ein Narr.
»Margarethe, wie geht’s dir?«, erkundigte er sich etwas unsicher.
»Ganz gut«, erwiderte sie freundlich, wobei sie einen
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