Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
schon lange. Er spürte, wie ihm das Blut in die Lenden schoss, schüttelte den Gedanken jedoch sofort wieder ab. Die Frage war doch vielmehr, warum die Wettinerin ihn dazu anstiften wollte! Noch einmal wunderte sich Weida über Katerinas unerklärlichen Hass auf Margarethe. Ein leises Lächeln zeichnete sich auf Weidas Lippen ab. Ob Katerina am Ende selbst auf den Wittelsbacher aus war?
Er neigte den Kopf und verabschiedete sich mit den Worten: »Wir sehen uns dann morgen.«
Hastig drückte er kurz darauf Jan Sedlic den Mantel in die Hand und bedankte sich noch einmal nachdrücklich.
Jan gab auf der Baustelle Bescheid, dass er noch etwas zu erledigen hätte. Dann machte er sich unverzüglich auf den Weg, obwohl das Wetter seiner Meinung nach noch eine ganze Weile halten würde. Aber der Vogt war eben nicht aus der Gegend. Er konnte das nicht einschätzen.
Schnaubend trabte Jans Brauner den Berg zur alten Burg hinauf und passierte das Tor zum ersten Burghof. Die Mauern trugen immer noch die Spuren des großen Feuers von 1303. Dahinter ragten auf dem dritten Burghof die Türme der St.-Veits-Kathedrale in den Himmel, die von Wenzels Vater Karl wiederaufgebaut worden war. Tagsüber herrschte im Königspalast, der dank König Karl durchaus in einem bewohnbaren Zustand gewesen war, reger Betrieb. Es waren hauptsächlich Handwerker, zumeist Steinmetze, die sich Baumaterial aus immer noch zerstörten Teilen der Anlage holten, um sie anderweitig wieder zu verwenden. Jan grüßte ein paar bekannte Gesichter und erkundigte sich höflich nach dem Stand der Baumaßnahmen, bevor er zu dem zweiten Burghof ritt, wo er vom Pferd stieg. Ein Stallbursche nahm ihm das Tier ab, um es zu versorgen. Dann ging er zur Falknerei. Margarethe allerdings fand er dort nicht. Merkwürdig. Suchend schaute er sich um, aber nicht einmal einer der Helfer war in der Nähe.
Meister Karl fand wenig Grund, Margarethe zu tadeln. Ganz im Gegenteil überraschten ihn ihr Einsatz und ihr Wissensdurst. Sie kümmerte sich nicht nur um ihren Falken, sondern fütterte auch die anderen Jungvögel. Sie half mit, sie daran zu gewöhnen, dass sie sich auf den Handschuh setzten und das Kopfleder aufsetzen ließen. Die junge Hofdame war mit Feuereifer dabei.
Margarethe machte die Arbeit mit den Vögeln Spaß. Während der letzten Wochen hatte sie eine Menge über die Tiere gelernt. Ihr Falke, das hatte sie inzwischen erfahren, war ein Weibchen und besaß daher größere Körpermaße als ein Männchen. Sie hatte es Wic getauft, die Weiße, obwohl ihr Meister Karl versichert hatte, das Junge würde sein helles Daunenkleid bald ganz gegen das bräunliche der älteren Falken eintauschen. Weiße Falken, so hatte ihr der Ritter erklärt, gäbe es nur im Norden, wo der Gerfalke zu Hause sei. In ganz Böhmen gab es nur einen einzigen dieser Art, und der war im Besitz des Königs. Er war Meister Karls ganzer Stolz. Niemand durfte auch nur in die Nähe des Käfigs, der mit mehreren Schlössern gesichert war. Bei besonderen Anlässen saß das herrliche Tier auf des Herrschers Hand, doch er jagte nie mit ihm, aus Angst, der Falke könne nicht zum Federspiel zurückkehren. Margarethe fand das schade, denn sie hielt es für den ureigenen Trieb der Vögel, fliegen und jagen zu dürfen. Bedauernd stand sie vor dem Käfig des Gerfalken und schaute hinein.
»Was träumt Ihr vor Euch hin, Waldeckerin!«, herrschte Meister Karl. »Sind die Jungfalken satt?« Margarethe lächelte. Sie wusste inzwischen, dass es die Art des Falkners war, so barsch zu sprechen. »Gewiss sind sie das. Sie lassen sich mittlerweile mit dem Futter locken und setzen sich artig auf die Hand.«
»Soso, dann wollen wir einmal sehen, ob Eure dünnen Ärmchen genug Kraft besitzen, um einen Falken in die Lüfte zu werfen.«
Begeistert sah Margarethe den alten Mann an. »Ihr lasst mich mit dem Falken jagen?«
»Nichts da«, knurrte Meister Karl. »Immer einen Schritt schneller, als es gut für sie ist, die Waldeckerin. Werfen sollt Ihr ihn und mit dem Federspiel zurückrufen. Doch ich warne Euch. Wehe, Ihr verliert mir das Tier!«
Schon mehrmals hatte die junge Hofdame dabei zugesehen, wie die Vögel trainiert wurden. Die jungen, unerfahrenen Falken hielt der Falkner an einer langen Leine, die mit Lederriemen an den Ständern der Vögel befestigt war. Die älteren Vögel übten mit dem Federspiel, einem ausgestopften Kissen, an dem Federn befestigt wurden, die wie Flügel abstanden. Wenn ein Falke
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