Die Fallen von Ibex
bleibt zurück, hörst du?” Sie wartete ihre Antwort nicht ab, sondern trieb ihr Gyr mit einem Schnalzen in einen schaukelnden Trab; gleichzeitig huschten ihre Geistfühler hinaus, weit vor ihr her, schnellten hinaus wie die klebrige Zunge eines Frosches.
Sie berührten zarte Wärmepunkte, rauh und giftig, jedoch substanzlos … Und dann war da etwas anderes, etwas, das ihr Böses wünschte. Sie hörte den Jungen aufschreien. Zorn durchflutete sie.
Sie trieb ihrem Gyr die Hacken in die Flanken, ließ die anderen weit hinter sich zurück. Ein Dutzend großer Gyr-Schritte, und sie hörte Fetzen jener Musik, die Linfyar bereits angekündigt hatte, unheimliche, auf- und abschwellende Töne, die an ihren Nerven zerrten, die rings um sie her wirbelten und fluteten und dem Jungen ein weiteres Aufstöhnen entlockten.
Sie schrie ihren Zorn hinaus und krallte ihre Geistfinger heftig in die Kälte, in das Böse, drosch auf die gestaltlosen Feindseligkeiten ein.
Die Musik steigerte sich hartnäckig zu einem lauten Wüten. Mit ihren Hieben richtete sie nichts aus. Jeder Widerstand zerschmolz unter ihrem Zugriff. Sie knirschte mit den Zähnen, zügelte das Gyr, ließ es wieder in langsameres Traben verfallen.
Die Musik war noch lauter geworden. Mehr als Musik. Der Junge spürte es zuerst - das andere. Es schlich sich heran, umkreiste sie, machte sie rasend. Das Gyr unter ihr begann nervös zu scheuen, bockte und schwenkte den geschmeidigen Hals. Seine Nüstern stupsten immer wieder gegen ihre Knie. Dieser neue Reiz war seltsamerweise eine Erleichterung, etwas, mit dem sie fertig werden konnte. Sie beschwichtigte die Angst und den Zorn des Tieres und führte es zu seiner gewohnten sanften Liebenswürdigkeit zurück. Und gleichzeitig kittete sie die Risse in der eigenen Beherrschung.
Und hörte das Stocken der Musik.
„Ah!” Sie wischte den neuerlichen Angriff auf Geist und Körper beiseite und projizierte statt dessen Freundlichkeit, Gelassenheit und Befragung - kein Geistfühler, keine Sonde, sondern allein breitgefächerter, warmer Glanz.
Sie zügelte das Gyr, wartete, bis die anderen zu ihr aufgeschlossen hatten, und sandte währenddessen weiterhin wärmende Impulse aus.
Wakille hatte Shadiths Bogen gespannt, hielt die Pfeile bereit.
Shadith kam hinter ihm und versuchte besorgt, Linfyar zu beruhigen, der sich an sie klammerte und wie im Fieber zitterte. Der Händler zügelte sein Tier neben Aleytys, hob die pelzigen Brauen.
„Erstickst du sie in Süßigkeiten?”
„Wenn das klappt, eh-Eload.”
„Und, klappt es?”
„Erschreckt sie fast zu Tode”, antwortete sie, und ihr Lachen verwandelte sich in ein Kichern. „Hilfst du mir? du bist besser darin als ich.” Nachdenklich fuhr sie mit dem Daumen an der Unterseite ihres Kinns entlang. „Eigentlich könntest du das sogar ganz allein schaffen, und ich webe einen Schutzschirm um uns.”
Sie tupfte mit ihrem Daumen auf die Nasenspitze. „Du kannst es viel besser als ich, da bin ich sicher. Hast mehr Übung.”
„Zieh die Krallen ein, Löwin.” Er grinste sie an, schnellte eine Braue hoch und verwob seine Projektion mit der ihren. Er übernahm ihr grobes Gemisch, modifizierte es, modulierte es, flocht zarte Gelächterspuren darin ein, eine Prise Bitterkeit, ein Fäd-chen Entschlossenheit und andere unterschwellige Botschaften, die den Geschmack des Ganzen abrundeten, ein prächtiges Bukett unterschiedlicher Empfindungen. Sie lachte laut auf über das kleine Wunder, da er da vollbrachte, und machte sich dann ihrerseits ans Weben und sperrte - abgesehen von einigen wenigen zusammenhanglosen Pfeif tönen, die noch heranwehten - alles aus. Der Junge war noch immer nervös, doch seine Angst war verschwunden. Er kauerte sich nicht mehr länger im Sattel zusammen, sondern saß aufrecht, und er drehte den Kopf wieder lebhaft von der einen zur anderen Seite.
Sie ritten langsam weiter, gleichmäßig, taten damit ihre Entschlossenheit kund, gegen alles vorzugehen, was sie auch erwarten mochte.
Kleine, geschmeidige Gestalten kamen aus den Schatten unter den Bäumen hervor; schmächtig, nackt - oder beinahe nackt.
Unbewaffnet schienen sie zumindest zu sein. Helle Haare leuchteten wie Löwenzahnflaum im strahlenden Licht des Tages. Sie kamen näher, hielten sich in neuen Schatten, zögerten, kamen und waren selbst wie Schatten, obgleich sie im Sonnenlicht schimmerten wie rauchiger Bernstein. Sie hielten einen gleichbleibenden Abstand zu den Eindringlingen und ihren
Weitere Kostenlose Bücher