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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Gedanken, ihm still zu sein zu bedeuten, überlegte es sich jedoch anders und ließ ihn herumzappeln, wie er wollte.
    Die Sonne brannte auf die Zwei-sind-Eins herab, ließ die braune, gläserne Haut schimmern und umschmeichelte die schemenhaft erkennbaren Knochen und Organe, die darin gleich Fossilien in dunklem Bernstein geborgen waren. Sie standen völlig bewegungslos, ihre Augen blinzelten nicht, die seidigen Haarsträhnen rahmten ihre Gesichter wie überirdische Auren. Dann blinzelte das Mädchen. Gleich darauf der Junge.
    Linfyars Lippen zitterten; er sandte seine Impulse aus. Plötzlich lachte er auf, ein silbernes Klangrieseln, schwach wiederholt (zu Aleytys’ Erstaunen) von dem Paar. Er stimmte eine übermütige Melodie an, eine Melodie voller Fröhlichkeit und Schwung.
    Die feierliche Starre des Paares bröckelte, löste sich auf; beide lachten sie jetzt und fielen in die Melodie des Jungen ein. Dann tanzten sie, und der Junge hob seine Panflöte an und spielte die Weise darauf, und das Mädchen drehte sich in plötzlicher Freude immer rundherum, rundherum, und wirbelte den Kürbis, ein geschmeidiges, sinnliches, neckendes, spielerisches Tanzen, in das der Junge jetzt genauso anmutig einfiel. Aleytys entspannte sich, nicht ganz sicher, was da passiert war, und weshalb, jedoch froh, die Gefahr gebannt zu sehen. Linfyar rutschte im Sattel herum, begierig, herunter zu kommen. Aleytys nickte Shadith zu, und sie entließ ihn aus ihren Armen.
    Er rannte zwischen Aleytys und Wakille hindurch, noch immer singend, er umrundete die Zwei-sind-Eins, von ihnen fasziniert, wie auch immer, da er sie doch nicht sehen konnte, aber darüber konnte sie sich später Gedanken machen, später, wenn die Gefahr definitiv vorbei war. Sie beobachtete, wie Linfyar sie verzauberte, und lachte in sich hinein. Und ich hab’ mir Sorgen um ihn gemacht, dachte sie. Ein Schemen streifte ihr Inneres, und sie fröstelte. Der Verfolger. Noch immer da. Bin gespannt, wie diese Wesen auf eine Zel reagieren. Sie rutschte von ihrem Gyr hinab und ging den Zwei-sind-Eins entgegen, die jetzt in großen, stummen Gruppen aus den Hainen herauskamen, um sich dem Tanzen anzuschließen
    - mit dem gleichen Staunen wie sie und mit der gleichen Wachsamkeit.
    9
    Aleytys saß an der Spitze der Landzunge und starrte mit wachsender Ungeduld auf den leeren Ozean hinaus. Zwei Monate. Zwei Nichts-Monate. Shadith war mit einer Gruppe von Fischern drau
    ßen auf dem Meer. Sie ließ sich von den Fisch-Sängern unterrichten, die allein mit ihrem Singen ganze Fischschwärme in ihre Netze lockten. Was Wakille betraf: Nachdem sie ihm genügend von ihrer Sprache beigebracht hatte (er hatte ein Talent für Sprachen, etwas höchst Nützliches in seinem Gewerbe), hatte er sich ganz auf die Ältesten dieses seltsamen Volkes konzentriert. Er entlockte ihnen Proviant, Vorräte und - immerhin - das eine oder andere ihrer Geheimnisse. Bezahlt war all dies im voraus durch jene Unterhaltung, die sie alle vier boten: Linfyar und Shadith mit ihrem Singen, Wakille mit seinen Geschichten und Aleytys (manchmal, wenn Harskari einverstanden war, ihr Schweigen zu brechen und zu übernehmen) mit ihren kleinen Zauberkunststücken.
    Überhaupt, Harskari. Die Alte stand Aleytys’ Bereitschaft, sie an ihrem Körper teilhaben zu lassen, zunehmend weniger ablehnend gegenüber - als bereite sie sich langsam und irgendwie unbeholfen auf ein künftiges unabhängiges Dasein vor, langsam und unbeholfen deshalb, weil sie (nahm Aleytys jedenfalls an) selbst nach Swardhelds plötzlicher, fast beiläufiger Verkörperlichung, und trotz all ihrer, Aleytys’, leidenschaftlichen Versprechen, auch für sie und Shadith einen Körper zu finden, die Wahrheit ihrer bevorstehenden Freiheit noch nicht wirklich begriffen und erst recht nicht akzeptiert hatte. Sie hatte Angst, doch sie hatte erkannt, daß sie sich der Realität stellen mußte, und diese Realität besagte, daß sie in ein oder zwei Jahren - vielleicht aber auch schon morgen aus dem Mutterleib des Diadems herausgerissen und in einen fremden Körper transferiert werden würde.
    Hinter sich vernahm Aleytys ein gleichmäßiges Stampfen, begleitet von den Stimmen und dem Lachen der Ekansu-Frauen. Die großen Bäume der Küstenebene boten zweimal im Jahr eine reiche Ernte an Nüssen. Die Frauen sammelten sie und kochten sie in Meerwasser, bis alle Säuren und Unreinheiten getilgt waren, und legten sie dann zum Trocknen in die Sonne. Jetzt zerstampften sie

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