Die Fallen von Ibex
das weiche Innere zu einem hellbeigen Mehl, aus dem köstliche Brote gebacken werden konnten, die sehr lange haltbar waren.
Aleytys schaute wieder auf das strahlend blaue Meer hinaus. Nahe dem Horizont trieben einige wenige weiße Wolken nach Süden.
Sie wirkten täuschend massiv, hätten tatsächlich eine Ansammlung jener Inseln sein können, auf die sie so ungeduldig wartete - aber sie war bereits zu oft darauf hereingefallen, um sich jetzt noch darauf einzulassen. Seltsam, wie wenig sie über diese Leute wußte.
Eine Nacht und ein Tag hatten sie um so viel mehr über die Zel gelehrt. Natürlich - es gab Esgards Aufzeichnungen, um die eigenen Erfahrungen zu erweitern.
Linfyar spielte mit den Ekansu-Kindern. Hin und wieder konnte sie sein Singen in einem Wirbel der Meeresbrise hören, manchmal auch andere Stimmen, die lachten und sich mit der seinen vermischten. Sie streckte sich und gähnte.
Die Ekansu schienen kaum weit genug fortgeschritten zu sein, um als Stamm bezeichnet werden zu können. Ein Ältestenrat übte eine nicht näher spezifizierte moralische Gewalt aus über Haltung und Tun der jüngeren Stammesangehörigen, aber sie verstand nicht, wie dies funktionierte, und die Prinzipien hinter ihren Entscheidungen verstand sie erst recht nicht. Die Rolle der Zwei-sind-Eins war noch rätselhafter. Niemand sprach von ihnen. Mehrere Tage lang folgte eine junge Frau Aleytys nach wie ein junger Hund, fasziniert von ihren Haaren. Glaubte sie sich unbeobachtet, streckte sie schüchtern die Hand aus, sie zu berühren - und wagte es doch nicht. Erst, wenn Aleytys Anstalten machte, sie zurückzuweisen, streichelte sie ein paarmal über die glänzende Masse - und zog sich wieder zurück. Als Aleytys dieser Kindfrau zaghafte Fragen über die Zwei-sind-Eins stellte, reagierte sie höchst seltsam. Es war, als höre sie ihre Worte einfach nicht. Sie lächelte weiterhin, und nicht einmal für Aleytys’ ganz spezielle Wahrnehmungsorgane war eine Anstrengung oder gar ein anderes Bewußtsein dahinter zu erkennen. Es war, als habe Aleytys ihre Worte überhaupt nicht ausgesprochen, als habe sie die Frage nur geträumt. Nachdem es ihr bei mehreren anderen Ekansu ebenfalls so ergangen war, seufzte sie und gab auf. Mehr als einmal kamen die Zwei-sind-Eins den Strand entlanggeschlendert, während sich sowohl Aleytys als auch einige Ekansu dort aufhielten. Doch außer ihr nahm niemand Notiz von ihnen. Bei ihrem ersten Auftauchen war Linfyar zu ihnen geeilt; er wollte mit ihnen schwatzen, und er war selbstbewußt genug, zu wissen, daß ihm dies in einem Gemisch aus mehreren Sprachen durchaus möglich war. Doch das Paar entwich, als werde es vom Wind seiner Ausgelassenheit wie Distelflaum davongeweht. Er wurde ganz still, verdutzt und verwirrt von diesem Mangel an Reaktion, wandte sich mit einem tiefen, traurigen Seufzen ab und trottete zu Eload Wakille zurück.
Trotz aller gemeinsamen Interessen mit Shadith fühlte sich Linfyar am stärksten zu Wakille hingezogen. Linfyar war heimatlos, entwurzelt, ein Verlorener, deshalb brauchte er einen Pfeiler der Stabilität um so dringlicher. Die Kraft in Aleytys war ihm nicht zugänglich, er hatte sie zu manipulieren versucht und sich nach dem Fehlschlag der Manipulation in sein Schicksal ergeben. Und Shadith verspürte überhaupt kein Verlangen danach, sich adoptieren zu lassen. Als Schönwetterfreundin war sie ziemlich gut, aber er schien zu wissen, daß sie ihn in dem Moment fallenlassen würde, da er eine allzu große Last wurde. In Wakille fand er einen harten Kern… ein Zentrum an Kraft und Verwundbarkeit, das er ausbeuten konnte. Eload Wakille wehrte sich gegen das allmähliche Einschmeicheln des Jungen (Aleytys und Shadith hatten mit einigem Vergnügen, aber auch mit einer gewissen Sorge beobachtet, wie sich das Spiel entwickelte - etwas, das dazu beitrug, die endlosen Tage des Wartens zu verkürzen), doch schließlich erlag er ihm und tarnte seine Kapitulation damit, daß er sich einredete, er habe mit dem Jungen einen wertvollen Aktivposten in die Hände bekommen, und das mochte teilweise sogar stimmen - aber es entsprach nicht der ganzen Wahrheit. Auch wenn er sich noch immer dagegen wehrte - insgeheim begann er diese Beziehung ganz allmählich zu akzeptieren, eine Beziehung, die eine seltsame Kombination aus unterdrückter Sexualität und Freundschaft und Zweckmäßigkeit und einer zunehmenden widerstrebenden Zuneigung war.
Ein Tag ging in den anderen über, ein Tag war wie
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