Die Fallen von Ibex
der andere.
Ekansu kamen und besuchten das Lager der Fremden, und mit genausowenig Aufhebens verließen sie es wieder. Die weiblichen Ekansu neigten dazu, weit länger bei ihnen zu verweilen als die männlichen, als sei die Anwesenheit der Fremden dazu angetan, ihr fließendes Dasein zu kristallisieren. Während sie in geselligen Kreisen beisammen saßen und mit von Schößlingen abgezogenen Holzstreifen Körbe flochten oder aus den von denselben Schößlingen abgezogenen Rindenfasern Netzstricke drehten, schwatzten sie miteinander. Sanftmütig, zurückhaltend stellten sie Fragen über Aleytys und Shadith, Wakille oder Linfyar. Oft sangen sie bei der Arbeit rhythmische Lieder mit stets wiederkehrendem Refrain, und manchmal zogen sie mit diesen Liedern die Zwei-sind-Eins an.
Doch obwohl er die Panflöte spielte und sie mit der Kürbisflasche für eine Untermalung des Rhythmus sorgte, wurden sie weiterhin ignoriert.
Und die Gyori wurden dick und ansehnlich vom üppig genossenen Gras und tollten mit den kleinen, vierbeinigen Pelzbrüdern umher und genossen die Aufmerksamkeit, die ihnen von den Ekansu-Kindern zuteil wurde, die sich in die Nähe des Strandes wagten.
Etwas Dunkles mischte sich in die bleichen Wolken, die sich von Nordosten her auf das Land zubewegten. Sturm, dachte sie und blickte weg. Linfyar war veränderlich wie fließendes Wasser, mühelos paßte er sich jedem von ihnen an, ein Sohn, der sich in ihre Arme schmiegte, um sie ihre Einsamkeit vergessen zu lassen, ein Kamerad und eine nie versiegende Quelle der Lieder für Shadith -und für Wakille… Teils Geliebter, teils Sohn, teils Tochter, teils Handelsware. Der Gedanke machte sie nervös. Momentan war er noch Kind, voller Vitalität und Freude am Leben, und seine Chamäleon-Eigenschaft war bezaubernd. Aber als Erwachsener? Sie war einigen Männern begegnet, die ganz von ihrem eigenen Zauber lebten, und sie hielt sie für ziemlich bedauerliche Existenzen, Verlierer in gewissen wesentlichen Dingen, ganz gleich, wie erfolgreich sie anderen auch erscheinen mochten. Sie seufzte, wischte mit den Fingerspitzen leicht über die Vorderseite ihrer Jacke und zuckte mehrmals zurück, als wische sie etwas Unangenehmes weg.
Das Dunkle im Norden war jetzt größer geworden, weniger undeutlich, und es blieb hartnäckig mit dem Meer verwachsen, es erhob sich nicht empor, jagte nicht wie die schaumigen, weißen Wolken nach Süden davon. Sie starrte es an. Dunkel und langsam.
„Aye”, sagte sie. „Wenn es eine ist, dann ist es Zeit.”
Sie erhob sich und rannte die spitz zulaufende Sandbank entlang, durch die Dünen, dann über die grasbewachsenen Hänge hinauf, zum Lager. Wakille hantierte gerade mit Körben voller ausgelaugter Nüsse und getrockneter Fische und Knollen herum, häufte die mit Nußmehl gefüllten Fischblasen auf sowie die Vielzahl anderer Dinge, die er den Ältesten der Ekansu abgerungen hatte.
Als sie den Trampelpfad herauf geeilt kam, blickte er auf. „Eine Insel?”
„Könnte eine sein.” Sie stoppte bei dem mageren Haufen ihrer eigenen Besitztümer, wühlte den mit Taschen bestückten Gürtel hervor, ließ ihn durch ihre Hände gleiten, bis sie die gesuchte Tasche gefunden hatte. Sie stieß den Daumennagel unter den Verschlußclip, zog die Lasche hoch und fluchte, als ihr Nagel einriß. Sie schüttete den Inhalt der Tasche über ihre Handfläche aus und schnappte sich schließlich das ineinandergeschobene Fernrohr.
„Ein Blick aus der Nähe wird alles klären”, brummte sie. „Außerdem ist sie noch Stunden entfernt.” Sie warf den Gürtel achtlos zurück und beeilte sich, wieder auf ihren Beobachtungsposten hinauszukommen.
Es war eine Insel. Eine große. Ganz so, wie Esgard sie empfahl.
Wenn sie doch nur nahe genug herankommen würde, um hängenzubleiben! Selbst mit dem Fernrohr konnte sie nur die zerzausten Kronen untersetzter Bäume und die flache, dunkle Masse des Landes ausmachen.
Eine Berührung an ihrem Arm. Wakille stand neben ihr. „Darf ich?” Seine Augen lachten sie ein wenig an, gestanden seine Ungeduld ein, seine Lippen waren zu einem Wulst vorgeschoben.
„Okay”, sagte sie. Die Erleichterung darüber, daß die Stagnation damit möglicherweise beendet war, ließ sie schwindelig werden. Sie beobachtete ihn einen Moment lang, wie er das einfache Fernrohr ans Auge hob und justierte, dann ließ sie sich zu seinen Füßen auf dem Boden nieder, zog die Beine an und legte beide Arme entspannt darüber. Die
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